Waldbröl

Oberbergische Volkszeitung 10.8.1990

Waldbröl ist ein Städtchen im Oberbergischen Kreis, rund 15 km südlich der Kreisstadt Gummersbach. 1990-91 habe ich als Stadthistoriker dort gearbeitet, #Zeitzeugen interviewt und einen Gesprächskreis „Waldbröler erzählen Geschichte(n)“ initiiert und geleitet.

Waldbröl war auch damals noch ein Zentrum der pietistisch ausgerichteten protestantischen Freikirchen. Zugleich gab es eine starke katholische Minderheit. Das Verhältnis zwischen den Konfessionen war eines der spannenden Themen. Oberhalb der Stadt war am Waldrand eine mehrere hundert Meter lange Mauer aus Natursteinen zu bewundern, die eine planierte Geländeterrasse nach unten abstützt: Überrest einer gigantischen Baustelle aus der Nazizeit. Auf Betreiben des aus Waldbröl stammenden Obernazis Robert Ley, damals Führer der „Deutschen Arbeitsfront“, begann man 1939 mit dem Bau einer riesigen Adolf-Hitler-Schule. Über Ley und die Naziverstrickungen der Waldbröler Pietisten und sonstigen Honoratioren hatte der Historiker Heinz-Wilhelm Brandenburger 1987 das Buch Ley-Land geschrieben, Hans-Rüdiger Minow hatte 1988 für den WDR auf dieser Basis einen Dokumentarfilm gedreht. Kurz nach meinem Amtsantritt war Brandenburger überraschend während eines Fußballspiels an einem Herzversagen gestorben. An einem der Abende meines Gesprächskreises setzte sich ein alter Fotograf neben mich und sprach mich plötzlich von der Seite an: Er erinnerte mich daran, dass schon einmal so einer wie ich in Waldbröl gewesen und die falschen Fragen gestellt habe; der sei aber bald gestorben. Ich schickte den Mann hinaus. Auch eine kleine Ausstellung durfte ich dort gestalten, über die Zeit Waldbröls als „Hauptort“ eines gleichnamigen Kreises. Als die Ausstellung eröffnet wurde, drängte sich genau der FDP-Politiker und Hobbyhistoriker, der sich zuvor geweigert hatte, mir dabei zu helfen, mit Gewalt ins Pressefoto. Im Stadtarchiv von Waldbröl habe ich damals die handgeschriebenen Jahresberichte des Landrats Sonoré für die Jahre 1836-1848 entziffert und für eine Abschrift diktiert. Eine Zusammenfassung veröffentlichte ich unter dem Titel „Haferspanien im Vormärz“ in den „Beiträgen zur Oberbergischen Geschichte“.

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