Rico Grimm schrieb aus Anlass der Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 in Krautreporter über das Problem, Klimaschutz und Klimaanpassung unter einen Hut zu bekommen. Ich kommentierte: Wichtig finde ich, jetzt die Momente zu betonen, bei denen Klimaschutz und Klimaanpassung im gleichen Boot sitzen. Das ist vor allem der Autoverkehr, wie du schon festgestellt hast:
Die Flut fetter Autos ruiniert das Klima und verbaut zugleich den Platz, den wir für hitzeresistente Städte mit vielen Bäumen und für renaturierte Flussufer und Bachläufe brauchen. Also: runter vom Autokult! Die Wende ist dann erreicht, wenn das Durchschnittsgewicht der neugekauften Autos sinkt.
Auch in der Landwirtschaft gibt es gute Parallelen: Ökologischer Landbau ist klimafreundlicher als konventioneller – und er bietet mehr Platz für Gehölzstreifen, die Bodenerosion verhindern und verhindern, dass Regenwasser vom Acker auf die Straßen läuft, sowie Platz, um Bachläufe zwischen den Äckern zu renaturieren und zu bekrummigen, was ihre Hochwasserkapazität vergrößert. Die Bewirtschaftung mit leichterem Gerät verhindert, dass die Böden zu sehr verdichtet werden und deshalb weniger Regenwasser versickern lassen.
Ähnlich in der Forstwirtschaft: Naturnaher Waldbau ist gut fürs Klima, weil mehr CO2 in Humus und Totholz gebunden bleibt. Zugleich speichern solche Wälder mehr Wasser und sind wahrscheinlich auch, da sie ein feuchteres Mikroklima aufbauen, resistenter gegen Dürren und Waldbrände. Auch im Wald muss der Einsatz schwerer Erntegeräte (Harvester) unterbunden werden, um den Waldboden zu schonen. Nachteil allerdings: Bauholz, ein klimafreundlicher Baustoff, wird dadurch zunächst knapper und teurer.
Seltsame Rückkopplung am Rande: Das Hochwasser des Flusses Inde hat den Braunkohletagebau Inden, der ihren natürlichen Unterlauf verlegt, lahmgelegt, weil die Inde es dank Flutwelle geschafft hat, ihren alten Flusslauf zurückzuerobern. Der geht nun mal mitten durch den dummen Tagebau. Statt »dumm wie Brot« werde ich künftig sagen: »dumm wie Braunkohle«.
In einem zweiten Kommentar antwortete ich auf Grimms Frage, ob es bei mir lokal Konflikte um die Klimaanpassung gebe:
Ja, in der Städteregion Aachen gibt es einen Konflikt. Schon vor 12 Jahren sollten im oberen Vichtbachtal südlich von Stolberg zwei große Regenrückhaltebecken gebaut werden. Dabei wäre ein noch weitgehend naturnahes Mittelgebirgs-Bachtal teilweise zerstört worden. Deshalb, und vielleicht auch noch aus anderen Gründen, hat der zuständige Gemeinderat von Roetgen das Projekt offenbar jahrelang verzögert. Als jetzt der Starkregen den Vichtbach rasch ansteigen ließ, haben die Becken gefehlt, und die Flutwelle des Vichtbachs ist ungebremst durch die Dörfer Mulartshütte, Vicht und dann mitten durch die Stadt Stolberg geschwappt. Riesige Zerstörungen. Ein Redakteur der Aachener Nachrichten hat dieses Versäumnis jetzt angeprangert, wahrscheinlich wird dann alsbald gebaut. Hier sind leider Hochwasserschutz und Naturschutz im Widerspruch, während sie anderswo wie im erwähnten Kerpener Bruch im Einklang waren. (Mein Lob für den sehr differenzierten Hintergrund-Artikel!)
Rico Grimm: Die Laschet-Falle. Krautreporter.de 21.7.2021