Deutschland ohne Nazis: Chronik 1820-1835 (Material)

Diese Chronik dient mir als Materialsammlung für die Kapitel „Fürsten und Romantiker: 1815-1830“ und „Weber und Verleger: 1830-1848“ in dem Buchprojekt Deutschland ohne Nazis: 1790-1990.

1820. gründeten Maler der Düsseldorfer Akademie eine Künstlerkolonie im nordhessischen Dorf Willingshausen. Sie gilt als erste ländliche Künstlerkolonie Europas.[1]

1820. lebten im deutschsprachigen Raum etwa 220.000 Juden.[2]

1820. musste der 31jährige Friedrich List seine Professur in Tübingen wegen Differenzen mit der württem­bergischen Regierung niederlegen. dtvl

1820. veröffentlichte Ernst Theodor Hoffmann die Kriminalnovelle »Das Fräulein von Scuderi«.

1820. wurde Ernst Moritz Arndt im Zuge der »Demagogenverfolgungen« als Professor in Bonn entlassen. MTL

1820. wurde Friedrich (von) Schlegel Herausgeber der konservativen Zeitschrift »Concordia« (bis 1823).

1820.ff. Biedermeier. Eine Ausstellung in Münster zeigt die Zeit des Biedermeier, „als die Frauen noch sanft und engelsgleich waren“. Auf den Bildern haben die Frauen in der Regel keine Füße und können nicht auf den eigenen Beinen stehen, nur gestützt auf den Ehemann, an einen Baum gelehnt oder auf einem Stuhl sitzend. Bleichen Händen entgleiten filigrane Stickereien; sie können kaum das Körbchen für die Wolle halten. Die Schriftstellerin Fanny Lewald (1811-1889) berichtete über ihre Jugend in Königsberg: „Fünf Stunden an jedem Tag saß ich in der Wohnstube am Fenster und erlernte, Strümpfe zu stopfen, Wäsche auszubessern und beim Schneidern und anderen Arbeiten Hand anzulegen, zwei Stunden brachte ich am Klavier zu, eine Stunde langweilte ich mich mit dem Inhalt meiner alten Schulbücher, die ich damals von A bis Z auswendig kannte, eine andere Stunde schrieb ich Gedichte zur Übung meiner Handschrift ab… und hatte am Abend das niederschlagende Gefühl, den ganzen Tag über nichts Rechtes getan zu haben.“ – Biedermeier zitierte gern Aristoteles, „Über die Zeugung der Geschöpfe“: „Der Same des Männchens ist dadurch gekennzeichnet, daß er den Lebensquell in sich hat, und zwar einen solchen, der in dem Geschöpf die Entwicklung einleiten kann, während der des Weibschens nur Stoff bietet… Das Gegenteil zum Männlichen ist das Weibliche, und weiblich ist etwas aus Mangel an reifender Kraft…“ Ernst Moritz Arndt schrieb 1819 „Über die weibliche Erziehung“: „Ein Weib soll ja dem Kinde gleich sein und auch so gehalten werden.“ – Die Ehefrau schreit auf, nach Ida Hahn-Hahn: „Bin ich nicht Mensch?!“ Der Ehemann: „Freilich, Liebchen, freilich bist du das… Aber nur beiläufig, hauptsächlich bist du Weib.“ – Berühmtestes Gemälde der Zeit: „Die Kirch­gängerin“ von Louis Ammy Blanc (1837). – Katalog: Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, Münster 1995. Susanne Mayer in der Zeit, 22. 12. 1995.

1821. (bis 1823) war der 10jährige ungarische Pianist Franz Liszt in Wien Schüler von Czerny und Salieri, 1823 in Paris. dtvl

1821. begann Goethes Zusammenarbeit mit Ecker­mann. Im gleichen Jahr erschien der 1. Teil seines Romans »Wilhelm Meisters Wanderjahre oder die Entsagenden«. – Der erste Band von Wilhelm Müllers »Liedern der Griechen« erschien. Danach nannte man den Verfasser den »Griechen-Müller«. Im gleichen Jahr dichtete Müller das Lied »Das Wandern«. Franz Schubert vertonte es 1823 in seinem Zyklus »Die schöne Müllerin«.[3] 1844 schuf Carl Friedrich Zöllner die populär vereinfachte Melodie. – Ludwig Tieck gab die »Hinterlassenen Schriften« von Heinrich von Kleist heraus. – Ernst Theodor Hoffmann veröffentlichte seine Erzählungen »Prinzessin Brambilla« und den zweiten Band der »Lebensansichten des Katers Murr«. – Carl Maria von Webers Oper »Der Freischütz« wurde in # uraufgeführt, nach einem Libretto von J. F. Kind. Als erster Versuch einer nationalen deutschen Oper war sie ein Vorbild für Wagner.

1821. entwarf der preußische Architekt Karl Friedrich Schinkel drei Varianten für die geplante Friedrichswerdersche Kirche im Berliner Zentrum: eine klassizistische, eine gotische und eine Version in den Formen der Renaissance. Genehmigt wurde die gotische Fassung, die damit zum ersten unverputzen Sakralbau aus Ziegelstein seit dem Mittelalter wurde. Ausstellung in Berlin 2012, NW 6.9.2012

1821. gab der deutsche Jakobiner Johann Friedrich Butenschoen die »Neue Speyerer Zeitung« heraus. ZA Gesch 12.7.2001 (Die Zeit)

1821. ging Ludwig Börne für Cotta als Korrespondent nach Paris. MKL

1821. unterstützte der bayerische Kronprinz Ludwig den griechischen Freiheitskampf aus seiner Privatschatulle.[4]

1821. veröffentlichte der Dichter Wilhelm Müller 27jährig als Altphilologe in Dessau die »Gedichte aus den hinterlassenen Schriften eines reisenden Waldhornisten« (bis 1826) und »Lieder der Griechen« (bis 1824). Nach letzteren, die dem Freiheitskampf der Griechen gegen die Türken gewidmet waren, wurde er »Griechen-Müller« genannt. Seine Zyklen »Die schöne Müllerin« und »Winterreise« wurden u. a. von Franz Schubert vertont.

1821.03. begann in Patras der legendäre Freiheitskampf der Griechen gegen die Türken, der sogleich zahlreiche europäische Dichter, darunter Lord Byron, beflügelte. SZ 20.3.2021, 47

1821.03. studierte Harry Heine 23jährig in Berlin , u.a. bei dem reaktionären Rechtshistoriker Friedrich Karl von Savigny, der, wie Marx formulierte, »die Niederträchtigkeit von heute durch die Niederträchtigkeit von gestern« legiti,mierte. Savigny war Mitglied der »Christlich-Deutschen Tischgesellschaft« (mit Ernst Moritz Arndt, Ludwig Jahn, Gottlieb Fichte), die sich antisemitisch betätigte.[5]

1822. dichtete Wilhelm Müller das Lied »Der Lindenbaum« (»Am Brunnen vor dem Tore«). Franz Schubert vertonte es 1827 in seinem Zyklus »Die Winterreise«; Friedrich Silcher arrangierte es 1846 für Laienchöre.[6] – Im gleichen Jahr dichtete Joseph von Eichendorff das Wanderlied »Wem Gott will rechte Gunst erweisen«, das der Schweizer Friedrich Theodor Fröhlich 1833 populär vertonte. Fröhlich war einer der Entdecker der deutschen Romantik für die Schweiz.[7] – Die erste Fassung von Beethovens 9. Symphonie wurde in Wien uraufgeführt (die endgültige 1824). In ihr fand das Humanitätsideal der Wiener Klassik seine stärkste Ausprägung, mit direktem Bezug zur Weimarer Klassik (Schillers Ode »An die Freude«).[8] – Ernst Theodor Hoffmann veröffentlichte die Erzählung »Meister Floh«. – Der 25jährige Düsseldorfer Harry Heine (der spätere Heinrich Heine) veröffentlichte seine ersten Gedichte.[9]

1822. formulierte Moses Moser, Sekretär des Berliner »Vereins für Kultur und Wissenschaft der Juden«, ein Programm zur »Judenreformation«, das vor allem die Integration der Juden in die deutsche Gesellschaft zum Ziel hatte. H. Heine, Rabbi, 71 – Der Kölner Bankier Salomon Oppenheim jr. wurde Mitglied der Handels­kammer und bekleidete somit als erster Jude der Geschichte ein öffentliches Amt der Stadt Köln. Chronik Kölns, S. 255

1822. gründete Carl Friedrich Zelter das Königl. Institut für Kirchenmusik in Berlin und leitete es bis zu seinem Tode 1832. MTL Musik

1822. verliebte sich der 73jährige Goethe in Marienbad in die 18jährige Ulrike v. Levetzow. 1824 vollendete er seine »Marienbader Elegie« (ersch. 1827).

1822. wurde der 33jährige Friedrich List als württembergischer Abgeordneter wegen »staatsfeindlicher Umtriebe« zu Festungshaft verurteilt und ersatzweise zur Emigration in die USA gezwungen. List ging in die USA. dtvl

1822.05. studierte Heine in Berlin bei Schleiermacher und Hegel und besuchte den Salon von Rahel Varnhagen von Ense, freundete sich dort mit Karl Varnhagen von Ense an.[10]

1822.08. lernte Harry Heine in Berlin Moses Moser, Immanuel Wohlwill und Leopold Zunz kennen und wurde in deren »Verein für Cultur und Wissenschaft der Juden« aufgenommen. Dort beantragte er im November die Gründung eines zu stiftenden Frauenvereins, allerdings vergeblich.[11] Im glechen August wurde Leopold Zunz als Vereinsvorsitzender abgesetzt, nachdem er eine Rede gegen das »Sybarytentum im Tempel, gegen Dünkel und Geldstolz« als Ursachen des Verfalls des Judentums gehalten hatte. Heine sympathisierte nach Trilse-Finkelsteins Vermutung mit dem Konzept des Hamburgers Gotthold Salomon, das eine Universal­religion auf jüdischer Grundlage vorsah.[12] Ein Problem der Aufklärung aus jüdischer Sicht war, dass die radikale Religionskritik ein Stück der Identität der Juden untergrub. Heine ironisierte diese Richtung wie folgt: „Einige Hühneraugenoperateurs (Friedländer & Co) haben den Körper des Judentums von seinem fatalen hautgeschwür durch Aderlass zu heilen gesucht, und durch ihre Ungeschicklichkeit und spinnwebige Vernunftbandagen muss Israel verbluten…“[13] – Im gleichen Sommer reiste Heine mit seinem Studienfreund Eugen Graf Breza nach Preußisch-Polen und schrieb die Reportage »Über Polen«, die Januar 1823 erschien. Darin Sozialkritik und Betrachtungen über die dortigen Juden.[14]

1822.13. Deutscher Friedhof 1822: Der thüringische Biologe und Forstwissenschaftler Johann Matthäus Bechstein starb 64jährig in Dreißigacker bei Meiningen (23. 2.). Der niedersächsisch-preußische Staatsmann und Reformer Karl August Fürst von Hardenberg starb 72jährig in Genua (26. 11.). Der Königsberger Jurist, Schriftsteller, Musiker und Zeichner Ernst Theodor Hoffmann starb 46jährig in Berlin an den Folgen seiner Trunksucht.

1823. bedichtete Heinrich Heine die »Loreley«. 2006 deuteten Thea Bauriedel, Julian Nida-Rümelin, Wolf Singer, Daniel Kehlmann und Elisabeth Bronfen sein Gedicht unter freudianischen Aspekten. Zeitläufte 4.5.2006

1823. ging der 12jährige Pianist Franz Liszt als Schüler nach Paris und lernte bei Paer und Reicha. Vorher war er bei Czerny und Salieri in Wien gewesen.

1823. veröffentlichte Gauß seine Theorie der kleinsten Quadrate (zur Minimierung von Messfehlern und zufälligen Abweichungen, auf Basis der Normalverteilung). MKL

1823. wurde in einem Klüngel zwischen Stadtführung und preußischer Verwaltung der geordnete Kölner Karneval gegründet. Hintergründe: ksta 25.9.1997

1823.01. veröffentlichte Heine die Reportage »Über Polen«, im April den Band »Tragödien nebst einem lyrischen Intermezzo« (mit den Tragödien »Almansor« und »William Ratcliffe«).[15] Im Februar kommentierte Heine 26jährig die Politik der oppositionellen Kräfte in Italien, Groß­britannien und Deutschland: Er fühle sich „seltsam gestimmt, wenn ich zufällig in der Zeitung lese daß auf den Straßen Londons einige Menschen erfroren und auf den Straßen Neapels einige Menschen verhungert sind. Obschon ich aber inEngland ein Radikaler und in Italien ein Carbonari [richtig: Carbonaro] bin, so gehöre ich doch nicht zu den Demagogen in Deutschland; aus dem ganz zufälligen und g’ringfügigen Grunde, daß bei einem Siege der letztern einige tausend jüdische Hälse, und just die besten, abgeschnitten werden.“[16] Damit meinte er die deutschnationalen Burschenschaften. Er nannte sie in einem Brief im August: „Und ich bin kein Deutscher, siehe Rühs, Fries an vielen Orten…“[17] Oktober 1824 reflektierte Heine das Verhältnis zwischen Deutschen und Juden in dem Gedicht »An Edom!«: Ein Jahrtausend schon und länger / dulden wir uns brüderlich. / Du, Du duldest, daß ich athme, / Daß Du rasest, dulde ich…

1823.06. drängte Harry Heine den Herausgeber Leopold Zunz: „Drängen Sie doch bei den Mitabeitern der Zeitschrift auf Kultur des Stils. Ohne diese kann die andere Kultur nicht gefördert werden.“ Ihn regten die vielen Publizisten auf, die sich in seinen Augen unverständlich ausdrückten.[18] Zunz indes resümierte 1867 in der Rückschau: „Zwischen 1817 und 1823 fällt die Blüte und der Bestand unserer Bestrebungen; alle seit jener Epoche fühlbar gewordenen Erfolge in Schule, Synagoge, Freiheit, Kultur und Widdenschaft gehen auf Vereinsmitglieder … zurück.“

1823k Heinrich Heine dichtete das Lied »Im Rhein, im heiligen [schönen] Strome«. Von der Beschreibung des Stromes bei Köln springt der Dichter in den Kölner Dom und dort zu einem Marienbild, das ihn an seine Liebste erinnert. Es erschien 1827 im »Buch der Lieder«.

1824. bemühte sich der bayerische Kronprinz Ludwig in Rom um eine päpstliche Erlaubnis für seine römische Nebenfrau Marianna Florenzi. Ein Kurienjesuit bescheinigte ihm schließlich, »die eheliche Treue sei blos eine Sache des Fleisches«, und daher sei »im Allgemeinen eine Indulgenz in dieser Beziehung für schwache Menschen und Weltkinder nöthig«.[19]

1824. erschien der erste von fünf Bänden der »Biographischen Denkmale« von Karl August Varnhagen von Ense (bis 1830). MTL

1824. ging Giacomo Meyerbeer nach Paris und verband sich mit dem Dramatiker Eugène Scribe. Er nahm keinen festen Wohnsitz und lebte meist in Hotels, aus gesundheitlichen Gründen auch oft in Kurorten wie Spa und Boulogne.

1824. gründete Carl Bertelsmann in Gütersloh eine Steindruckerei. ZA 1.1.2000 (Medien)

1824. veröffentlichte Heinrich Heine die Sammlung »33 Gedichte«, darunter das populäre Werk »Die Loreley«. Im gleichen Jahr besuchte er Goethe in Weimar und bereiste auf dem Weg dorthin den Harz.

1824. wanderte Harry

1824.01. setzte Heine sein Jurastudium in Göttingen fort.

1824.03. kommentierte Heine in einem Brief an Christiani seine tiefdeutschen Gedichte wie »Mein Herz, mein Herz ist traurig« und die »Loreley«, die Franz Schubert, Robert Schumann und Johannes Brahms zu Vertonungen einluden: „Ich weiß, daß ich eine der deutschesten Bestien bin, ich weiß nur zu gut, daß mir das Deutsche das ist, was dem Fische das Wasser ist… …meine Brust ist ein Archiv deutschen Gefühls, wie meine zwei Bücher ein Archiv deutschen Gesanges sind…“[20]

1824.05. kehrte der 26jährige Harry (Heinrich) Heine von einem dreiwöchigen Berlin-Aufenthalt nach Göttingen zurück. In Berlin war er dem »Verein für Kultur und Wissenschaft der Juden« (*1819) beigetreten, hatte Moses Moser kennen gelernt und an einer Seder-Feier des jüdischen Passahfestes teilgenommen. Er begann unter starken inneren Kämpfen mit den Studien für seine Erzählung »Der Rabbi von Bacherach«, die im Jahr 1487 spielt. Lokaler Hintergrund: die Ruine der Wernerkapelle in Bacharach, 1289-1430 erbaut und 1689 von den Franzosen zerstört. Sie galt den Romantikern als »edelste aller Ruinen«. Ihr Patron Werner war ein Kind, dessen Tötung als angeblicher Ritualmord den Bacharacher Juden in die Schuhe geschoben worden war, um ein Pogrom zu rechtfertigen. Heine erzählte im »Rabbi« die Geschichte vom Kinder- und Judenmord in Bacharach.[21] – Heine wanderte als Student von Göttingen über Northeim, Osterode, Clausthal-Zellerfeld, Goslar nach Bad Harzburg, über den Kaiserweg zum Brocken und durch das Flussbett der Ilse. Er schrieb darüber die Reiseerzählung »Die Harzreise«, die er erst 1853 veröffentlichte.

1824.05. wurde Ludwig van Beethovens 9. Symphonie in ihrer endgültigen Fassung in Wien uraufgeführt, in Anwesenheit des tauben Komponisten.[22]

1824.07. beging man in Quedlinburg und Altona den 100. Geburtstag Klopstocks. In seinem Geburtsort Quedlinburg errichtete man dem Dichter ein Denkmal. MKL

1824.08. wurde in Leipzig der Mörder Johann Christian Woyzeck hingerichtet. Sein Fall beschäftigte bis 1838 zahlreiche Kriminologen und Psychologen. Der Streit ging darum, ob Woyzeck bei der Tat zurechnungsfähig oder geisteskrank gewesen sei. Georg Büchner begann 1836, sein Drama »Woyzeck« zu schreiben.[23]

1824.09. unternahm Heine von Göttingen aus eine Wanderung durch den Harz. Aus den Notizen dazu ging seine Reiseerzählung »Harzreise« hervor. Danach besuchte er Adolf Müllner in Weißenfels und Goethe in Weimar. Letzterer mochte den jungen Konkurrenten nicht, vor allem nicht sein Faust-Projekt. Heine schwebte eine »Faust«-Erzählung vor, in der Mephistopheles ein gutes, kreatives Konzept verkörpert.[24] Die »Harzreise« erschien Januar 1826 im Berlinischen »Gesellschafter«.

1824k Harry (Heinrich) Heine begann die Arbeiten am Romanprojekt »Der Rabbi von Bacherach«.[25] Im gleichen Jahr wurde seine Tragödie »Almansor« in Braunschweig uraufgeführt, ohne Erfolg.[26]

1825. bestieg König Ludwig I. den bayerischen Thron. Er verfügte als erste Amtshandlung, dass Baiern künftig mit y zu schreiben sei, als Bayern. Das y sollte an Griechenland und den griechischen Freiheitskampf erinnern. Gegen seinen Vater Max I. Joseph setzte er sofort eine antifranzösische, deutschnationale Politik durch. Seinen Architekten Leo Klenze beauftragte er mit einem umfangreichen Bauprogramm, das vor allem eine national-erzieherische Wirkung entfalten sollte: Aus Ruhmeshalle und Walhalla sollten die Leute »teutscher herauskommen als sie hineingegangen«. Privat notierte Klenze jedoch seine liebe Not mit dem König: »So wie er diese [seine Mätressen], bald blond, bald braun, bald groß, bald klein, bald sanft, bald feurig, liebte und wählte, so wechselte auch stets sein Geschmack in der Architektur.«[27]

1825. gründete der Wiener Bratschist und Komponist Johann Strauß 21jährig eine eigene Tanzkapelle. Gemeinsam mit Joseph Lanner entwickelte Strauß den Walzer zur Kunstform.

1825. gründete der Wiener Fein- und Zucker­bäcker Johann Georg Kranzler in Berlin das Café Kranzler; das erste Berliner Café mit einem Raucherzimmer. Im Febr. 2000 wurde es geschlossen. ZA Gesch. 29.2.2000 (Die Welt)

1825. In den 1820er Jahren erlangte der Berliner Salon von Amalie Beer große Berühmtheit. Es war der einzige musikalische Salon Berlins. Dort verkehrten unter anderem der spätere König Friedrich Wilhelm IV., Alexander von Humboldt, Johann Nepomuk Hummel, August Wilhelm Iffland, Franz Liszt, Familie Mendelssohn, Niccolò Paganini, Gottfried Schadow, August Wilhelm Schlegel, Rahel Varnhagen, Carl Maria von Weber, Carl Friedrich Zelter und Beers Sohn Giacomo Meyerbeer. Wikip.

1825. veröffentlichte Wilhelm Hauff den »Märchen-Almanach auf das Jahr 1826 für Söhne und Töchter gebildeter Stände«, darunter die Märchen »Die Gerschichte vom Kalif Storch«, »Die Geschichte von dem Gespensterschiff«, »Die Geschichte von dem kleinen Muck«., »Die Errettung Fatmes«.

1825. vertonte # Reichardt Ernst Moritz Arndts Lied »Was ist des deutschen Vaterland? / Ist’s Preußenland? Ist’s Schwabenland? / Ist’s, wo am Rhein die Rebe blüht? / Ist’s, wo am Belt die Möwe zieht? /
O nein, o nein, o nein! / Sein Vaterland muß größer sein!«
Arndts Deutschland umfasste Österreich und die Schweiz, ein »Deutschland, soweit die deutsche Zunge klingt«. Das Lied fand weite Verbreitung. Mehr

1825. wurden in Hannover die ersten deutschen Gaslaternen eingeführt, ein Jahr später in Berlin. ZA 9.10.1998 (18)

1825.04? löste sich der »Verein für Kultur und Wissenschaft der Juden« auf, nachdem der Gründer Eduard Gans zum evangelischen Glauben konvertiert und Jura-Professor in Berlin geworden war. Im Juni konvertierte auch der 27jährige Harry Heine zum evangelischen Glauben und ließ sich als Heinrich Heine taufen. Der Taufschein sollte ihm als »Entréebillet zur europäischen Kultur« dienen, vor allem aber eine Professur in München verschaffen. H. Heine, Rabbi, 77 – Im Juli blieb Heine in seinem Romanprojekt »Der Rabbi von Bacherach« offenbar auf halbem Wege (oder noch früher) stecken (*1833, *1840). H. Heine, Rabbi, 75

1825.06. ließ sich Harry Heine in Heiligenstadt in Thüringen evangelisch-lutherisch taufen, um seine Karriere zu befördern. Er nahm den Namen Heinrich Heine an. Er bereute den Schritt schon im Januar 1826, hielt auch immer wieder an Vorzügen des Judentums fest.[28] Im Juli bestand Heine sein juristisches Examen in Göttingen und wurde zum Doktor beider Rechte promoviert.

1825.10. Im Konzertwinter 1825/26 spielte das Leipziger Gewandhaus-Orchester fast alle Sinfonien Beethovens, auch die erst im Vorjahr vollendete 9. Sinfonie. Zeitläufte 25.2.2010

1825.13. Der fränkische Schriftsteller Jean Paul (bgl. Johann Paul Richter) starb 63jährig in Bayreuth. MTL

1826. begann Karl Julius Weber, seine satirischen Schriften »Deutschland oder Briefe eines in Deutschland reisenden Deutschen« zu veröffentlichen (bis 1828). Mit spöttischem Skeptizismus machte sich Weber vor allem über den Ritterkult der Romantiker lustig. dtvl

1826. erschien der dritte Band von Heinrich Heines »Reisebildern«. Im darin enthaltenen »Buch Le Grand« (einer Napoleon-Verherrlichung) und in dem Essay? »Bäder von Lucca« bekannte sich Heine zum Traum von der demokratischen Revolution und zur Pflicht der Zeit zur Emanzipation des freien Geistes. IGDL 4, 16

1826. erschien der erste Band der Monumenta Germaniae Historica. MTL

1826. gab es einen Stadtbrand in Triberg im Schwarzwald. 1827-29 wurden etliche abgebrannte Gebäude wieder aufgebaut, darunter die kath. Stadtkirche und das Schwarzwald-Hotel Löwen. (Tafel in Triberg, Stand 2014)

1826. gab Ludwig Tieck die »Gesammelten Schriften« von Heinrich von Kleist heraus. MTL

1826. hielt Alexander von Humboldt in Berlin Vorlesungen über die Ergebnisse seiner Weltreise. Sie erregten großes Aufsehen. Als erster deutscher Wissenschaftler schaffte es Humboldt, aus dem elitären Kreis der Akademiker auszubrechen und selbst Arbeiter anzusprechen. Aus den Vorlesungen ging ab 1845 sein Monumentalwerk »Kosmos« hervor, der erste Versuch einer populärwissenschaftlichen Beschreibung der gesamten physischen Welt und aller offenen Fragen der Forschung. Zweitausendeins 2008

1826. schrieb der 17jährige Hamburger Felix Mendelssohn Bartholdy seine meisterhafte Ouvertüre zu Shakespeares Komödie »Ein Sommernachtstraum«. MTL Musik

1826. starb der letzte Lippe-Biber. namu, April 2010

1826. veröffentlichte der Koblenzer Biologe Johannes Müller 25jährig das Werk »Zur vergleichenden Physiologie des Gesichtssinns«.

1826. veröffentlichte der thüringische Pädagoge Friedrich Fröbel seine von Pestalozzi beeinflussten pädagogischen Grundsätze in dem Werk »Die Menschenerziehung«. Fröbel betonte den naturgemäßen Fortschritt und die allseitige Förderung aller Menschenkräfte. MKL

1826. veröffentlichte Heinrich Heine seine Reiseerzählung »Die Harzreise« als ersten Teil der auf vier Bände angelegten »Reisebilder«. Seine Mischung aus witziger Prosa, schwärmerischer Naturschilderung, Zeitsatire und romantischer Lyrik war so erfolgreich, dass Heine danach als freier Schriftsteller leben konnte. Allerdings wurde bereits der zweite Band der Reisebilder von der Zensur in Preußen verboten, ebenso der vierte Band.[29]

1826. veröffentlichte Wilhelm Hauff den Märchen-Almanach auf das Jahr 1827, darin die Märchen »Der Zwerg Nase«, »Die Geschichte Almansors« und »Schneeweißchen und Rosenrot« (von Wilhelm Grimm).

1826. zog die Ludwig-Maximilians-Universität von Landshut nach München um. SZ 20.8.2001

1826.01. kam Heine incognito in Julis Campes Buchhandlung, verlangte ein Exemplar der »Tragödien« Heines und äußerte sich abfällig darüber. Als Campe sie verteidigte, offenbarte sich der Autor und fragte den Verleger, ob er ihn drucken wolle. Wenige Tage später wurden sie über die Buchausgabe der »Reisebilder. Erster Teil« handelseinig. Heine erhielt 30 Louisdor. Heine arbeitete dafür die »Harzreise« um, und fügte 90 Gedichte der Serie »Heimkehr« und zwölf der »Nordsee. Erster Zyklus« hinzu. Das Buch erschien im Mai, wurde ein großer Erfolg und machte Heine in Deutschland bekannt. April 1827 erschien auf Campes Drängen der zweite Band.[30]

1826.05. schrieb Heine an Joseph Lehmann: „Auch zwischen geistigen Mächten existiert ein Völkerrecht, das nicht verletzt werden darf. Diese wechselseitige Achtung, selbst bei feindseliger Gesinnung, muß nie aufhören unter bedeutenden Geistern, sonst würde jenes Lumpengesindel, das untereinander nur gar zu fest verbündet ist, gar bald gewonnen Spel haben.“[31]

1826.10. eröffnete Karl Freiherr vom Stein als Landtagsmarschall den Westfälischen Provinzial­landtag in Münster. NW 5.2.2015

1826.10. starb der Essener Gussstahlunternehmer Friedrich Krupp. Die verschuldete Gussstahlfabrik mit knapp zehn Arbeitern wurde zunächst von Krupps Witwe weitergeführt. Der 14jährige Sohn Alfred Krupp übernahm zahlreiche Aufgaben im Betrieb. Brockhaus MM

1826.13. Deutscher Friedhof 1826: Der bayerische Optiker und Physiker Joseph (von) Fraunhofer starb 39jährig an einer Lungen­entzündung. Der holsteinische Komponist Carl Maria von Weber starb 39jährig in London.

1826k Felix Mendelssohns Ouvertüre zu Shakespeares Komödie »Ein Sommernachtstraum« wurde in Berlin erstmals im privaten Kreis aufgeführt. Februar 1827 dirigierte der 18-Jährige erstmals eine Aufführung in Stettin. Wik. Meisterstücke 2021

1826k Friedrich Fröbel veröffentlichte 44jährig sein Werk »Die Menschenerziehung«, das auf der Lehre Heinrich Pestalozzis aufbaute. Es enthielt das Programm für die später von ihm gegründeten Kindergärten. WDR ZeitZeichen 28.6.2020

1827. erschien die Komödie »Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung« von Christian Dietrich Grabbe. – Der Bonner Germanist Karl Simrock übersetzte das Nibelungenlied ins Hochdeutsche. – Franz Schubert komponierte den Liederzyklus »Die Winterreise« mit zahlreichen Liedern von Wilhelm Müller, der im gleichen Jahr 33jährig gestorben war. – Wilhelm Hauff veröffentlichte den Märchen-Almanach auf das Jahr 1828, darin die Märchen »Das Wirtshaus im Spessart«, »Das kalte Herz«, »Die Sage vom Hirschgulden«. – Ludwig Börne wurde durch den Tod seines Vaters materiell unabhängig und ließ seine »Gesammelten Schriften« von Campe in Hamburg herausgeben.

1827. formulierte der fränkische Physiker Georg Simon Ohm in seinem Werk »Die galvanische Kette« erstmals das später nach ihm benannte Gesetz U = R*I (die elektrische Spannung ist das Produkt aus Widerstand und Stromstärke). Da Ohm kein Akademiker war – er hatte sein Studium aus finanziellen Gründen abbrechen müssen – ignorierte die deutsche Universitätsphysik zunächst seine Erkenntnis. ZA Ohm 16.03.2004

1827. kehrte Alexander v. Humboldt aus Paris nach Berlin zurück und hielt dort Vorlesungen über die physikalische Weltbeschreibung.

1827. wurde Adam Müller in Wien geadelt und bekam den Titel Ritter von Plittersdorf.

1827. wurde Gotthilf Heinrich Schubert Professor für Naturgeschichte in München. ZA Schubert 26.7.2001 (Zeit) – Im gleichen Jahr wurde Schelling Professor in München. MGTL

1827. wurde in Detmold ein Straf-Arbeitshaus errichtet. Dort wurden Arme eingesperrt und mit Zwangsarbeit für ihr Schicksal bestraft. NW 17.3.2010

1827.04. reiste Heine nach England. Er lebte bis August in London und den Seebädern Margate und Ramsgate, traf den Komponisten Ignaz Moscheles, verliebte sich in eine Kitty und beobachtete den fortgeschrittenen englischen Kapitalismus und Liberalismus.[32]

1827.10. erschien auf Campes Drängen Heinrich Heines »Buch der Lieder«. Der Erfolg kam langsam, aber gewaltig. Um 1834 war die erste Auflage mit 2000 Exemplaren ausverkauft, und Campe wollte eine Neuauflage. Heine in Paris zierte sich zunächst; die 2. Augflage erschien erst 1837, die dritte schon 1839; bis zu Heines Tod erschienen insgesamt 13.[33]

1827.10. reiste Heine in einer Art Triumphzug von Hamburg über Göttingen, Kassel, Frankfurt, Heidelberg und Stuttgart nach München. In Kassel traf er die Brüder Grimm (wobei der Maler Ludwig Emil Grimm das bekannte Porträt schuf), in Fankfurt Ludwig Börne, in Stuttgart Wolfgang Menzel. In München trat er im November für ein Jahresgehalt von 2000 Gulden eine von Johann Friedrich Cotta von Cottendorf gestiftete Stelle als Redakteur der »Neuen allgemeinen politischen Annalen« an und kommentierte das: „Ich bin eine von Cottas teuersten Puppen.“[34]

1827.10. veröffentlichte Heinrich Heine den Lyrikband »Buch der Lieder«, eine Zusammenstellung bereits erschienener sowie neuer Gedichte, deren romantischer und oft volkstümlicher Ton den Nerv der Zeit traf. Doch da Heine die Stilmittel des romantischen Gedichts auch für satirische und politische Verse nutzte, bezeichnete er sich selbst schon bald als »entlaufenen Romantiker«.[35] Eduard Mörike nannte Heine einen »Dichter ganz und gar«. IGDL 4, 21 – Kein deutscher Dichter wurde häufiger vertont. Es gibt etwa 10.000 Vertonungen von Heine-Liedern; die meisten entstanden noch im 19. Jahrhundert. Das am häufigsten vertonte Lied ist »Du bist wie eine Blume«. Ähnlich wie Goethe seinerzeit gegenüber Schubert verschmähte auch Heine die bedeutendsten Kompositionen darunter, die Vertonungen von Felix Mendelssohn Bartholdy, Franz Liszt und Robert Schumann. Ihm missfiel das starke romantische Eigenleben dieser Vertonungen; der Stil von Mendels­sohn etwa war ihm zu neu, er behauptete, die Lieder hätten keine Melodie. Heine nutzte seine Stellung als Musikkritiker, um sich über diese Vertonungen lustig zu machen, und bevorzugte die konventionellen und ideenlosen Vertonungen seines Freundes Josef Klein. Möglicherweise war er auch vergrätzt, weil er am finanziellen Erfolg der Vertonungen nicht partizipierte.[36]

1827.13. Deutscher Friedhof 1827: Der rheinische Komponist Ludwig van Beethoven starb 56jährig in Wien. Der Stuttgarter Publizist und Schriftsteller Wilhelm Hauff starb 24jährig in Stuttgart (11. 11.). Der anhaltinische Dichter Wilhelm Müller starb 33jährig in Dessau (1. 10.). Der Schweizer Pädagoge Johann Heinrich Pestalozzi starb 81jährig in Brugg. MGTL

1827k Heinrich Heines »Buch der Lieder« erschien, darin das Lied »Im Rhein, im heiligen [schönen] Strome«; später von Robert Schumann und Franz Liszt vertont. Wik.

1828. begann Heinrich Heine seine Italienreise. IGDL 4, 16

1828. gab Goethe seinen Briefwechsel mit Schiller heraus.

1828. gründete Philipp Reclam in Leipzig den späteren Reclam Verlag. *1828_Reclam.html

1828. synthetisierte der 28jährige hessische Chemiker Friedrich Wöhler erstmals Harnstoff aus Ammoniumcyanat, wobei er die Grenze zwischen anorganischer und organischer Chemie überschritt. Die Wöhlersche Harnstoffsynthese galt später als Geburtsstunde der organischen Chemie.

1828. traten die ersten Zollvereine zwischen einigen deutschen Staaten in Kraft, so zwischen Bayern und Württemberg, zwischen Preußen und Hessen-Darmstadt, zwischen Sachsen, Hannover, Kurhessen und den thüringischen Kleinstaaten. MTL

1828. wurde Ludwig Feuerbach 24jährig Privat­dozent für Philosophie in Erlangen. Seine Theologie- und Religionskritik verhinderte eine akademische Laufbahn. MTL

1828.02. erlebte der 31jährige Franz Schubert das erste öffentliche Konzert mit seinen Werken.[37]

1828.04. lernte Heine in München den russischen Diplomaten und Lyriker Fjodor Tjutschew kennen, der seine Gedichte später ins Russische übersetzte – womit Heines Weg in die Weltliteratur begann.[38]

1828.05. tauchte in Nürnberg ein in völliger Isolation aufgewachsenes 16jähriges Findelkind auf, dem man den Namen Kaspar Hauser gab und dessen Rätsel viele Zeitgenossen (und Spätere) jahrzehntelang beschäftigte.[39] Der Jurist Paul Johann Anselm Feuerbach nahm sich des Verwirrten an. Im gleichen Jahr erschien Feuerbachs Werk »Aktenmäßige Darstellung merkwürdiger Verbrechen«. Kurt Tucholsky gab sich 1918# das Pseudonym Kaspar Hauser. Georges Moustaki und Reinhard Mey dichteten um 1970# Lieder auf »Gaspard«.

1828.08. verließ Heine München und trat eine Reise nach Italien an. Der rechtskonservative Publizst Hans Ferdinand Maßmann und der reaktionär-katholische Theologe Ignaz von Döllinger hatten ihn scharf bis infam angegriffen; König Ludwig I. hatte ihm eine Professur verweigert und sie stattdessen Maßmann gegeben. Heine reiste über Trient, Verona, Mailand, Marengo und Genua nach Lucca, wo er sich drei Wochen lang in den Bädern aufhielt. Danach fuhr er nach Florenz und weiter nach Venedig.[40] Ergebnis waren die vier Reportagen »Reise von München nach Genua«, »Die Stadt Lucca«, »In den Bädern von Lucca« und »Florentinische Nächte«.

1828.13. Deutscher Friedhof 1828: Der Wiener Komponist Franz Schubert starb 32jährig in Wien (19. 11.).

1828k Franz Schubert komponierte auf Wunsch des mit ihm befreundeten Wiener Oberkantors Salomon Sulzer den 92. Psalm für Chor und einen Bariton-Vorsänger. Moses Mendelssohn übersetzte den Psalm aus dem Hebräischen ins Deutsche. Sulzer reformierte den jüdischen Synagogengesang und bezog dabei bewusst zeitgenössische, meist christliche Komponisten ein. Wik.

1829. beantragte die belgische Nonne Maria Clementine Martin in Köln für ihren »Klosterfrau Melissengeist« die wahrscheinlich erste deutsche Produkt­marke. *martin.html

1829. erschien Goethes »Italienische Reise«.

1829. Expedition Alexander v. Humboldts nach Sibirien.

1829. gab der 26jährige Anton Wilhelm v. Zuccalmaglio (unter dem Pseudonym Wilhelm von Waldbrühl) zusammen mit seinem Heidelberger Kommilitonen und Freund E. Baumstark eine erste Sammlung deutscher Volkslieder heraus. Angeregt hatte ihn dazu der Heidelberger Jurist Thibaut. Als Student in Heidelberg hatte Z. den Spitznamen »der große Wodan«, weil er ständig von altdeutscher Mythologie sprach. Er verliebte sich in die Arzttochter Ernestine Thomas, die 1836 an der Cholera starb. A. Trzyna, Zuccalmaglio, 163, 165

1829. Im Park des soeben fertig gestellten Schlosses Rosenstein in Stuttgart wurden Mineralquellen gefunden. König Wilhelm I. von Württemberg (1781-1864) plante deshalb den Bau eines „Badhauses im Maurischen Stil“ im Schlosspark, ergänzt durch eine Orangerie und ein Gewächshaus. Erst 1837 wurde der Architekt Karl Ludwig von Zanth (1796-1857) mit der Planung beauftragt. Da der König zögerte, die hohen Kosten für das ehrgeizige Vorhaben aufzubringen, sollten noch Jahre vergehen, bis das erste Gebäude der Wilhelma fertig gestellt war.

1829. schloss Goethe seinen Roman »Wilhelm Meisters Wanderjahre oder die Entsagenden« ab.

1829. trat der Pianist Friedrich Chopin erstmals in Wien auf und erregte Aufsehen. Kritiker, darunter Heine, lobten die Synthese aus polnischer Ritterlichkeit, deutscher Innigkeit und französischer Anmut. MKL

1829. wurde Christian Dietrich Grabbes Drama »Don Juan und Faust« am Detmolder Hoftheater uraufgeführt, mit einer Musik von Albert Lortzing. Es gab nur eine einzige Aufführung, und es war die einzige Aufführung eines seiner Stücke, die Grabbe erlebte. ZA 13.12.2001 (FR)

1829.01. übersiedelte Heine von München wieder nach Hamburg, dann gleich weiter nach Berlin, und gab seine gut bezahlte Redakteursstelle bei Cotta auf. In Berlin hatte er Kontakt zu Achim und Bettina von Arnim, Felix Mendellsohn Bartholdy und Giacomo Meyerbeer. Auch in Berlin zerschlug sich sein Versuch, eine Professur zu gewinnen.[41]

1829.03. führte der 20jährige Felix Mendelssohn Bartholdy – von Zelter angeregt – an der Berliner Singakademie Bachs »Matthäuspassion« wieder auf. Sie war mit den meisten Werken Bachs fast in Vergessenheit geraten. Damit begründete er die moderne Bach-Pflege. MTL Musik

1829.08. besuchte der polnische Schriftsteller und Freiheitskämpfer Adam Mickiewicz Goethe in Weimar. Diese Begegnung verarbeitete Louis Fürnberg 1952 in seiner Novelle »Die Begegnung in Weimar«. (Wikip.)

1829.13. Der Ulmer Handwerker, Erfinder und Pilot Albrecht Ludwig Berblinger starb 58jährig verarmt und vergessen in seiner Heimatstadt (28. 1.). Der Berliner Konservative Adam Müller (seit 1826 Ritter von Nittersdorf) starb 49jährig in Wien (17. 1.). Der Schriftsteller und Publizist Friedrich von Schlegel starb 56jährig in Dresden. Der deutsche Maler Heinrich Tischbein starb 78jährig in Eutin (26. 2.).

1830. begann Alexander v. Humboldt in Berlin sein Werk »Kosmos. Entwurf einer physikalischen Weltbeschreibung«. Es erschien in den Jahren 1845-62.

1830. begann Felix Mendelssohn Bartholdy die Arbeit an seinen »Liedern ohne Worte« (bis 1845). MTL Musik

1830. begründete Friedrich Christoph Dahlmann die »Quellenkunde der deutschen Geschichte«. MGTL

1830. breitete sich von Russland aus eine Cholera-Epidemie in den Großstädten Mittel- und Südeuropas aus. Es gab Zehntausende von Todesopfern, vor allem in den Armenvierteln. Heinrich Heine berichtete aus Paris, wie die Reichen, begleitet von Ärzten und rollenden Apotheken, aus der Stadt flohen. Heine: „Mit Unmut sah der Arme, dass das Geld auch ein Schutzmittel gegen den Tod geworden.“

1830. entdeckte der Stuttgarter Ingenieur und Unternehmer Karl von Reichenbach das Paraffin im Holzteer. MKL 14: Reichenbach; MKL 13: Paraffin

1830. gründeten Pfarrer Engelbert Joseph Heynen, der 27jährige Anton Wilhelm v. Zuccalmaglio und sein Bruder Vincenz in Schlebusch (Leverkusen) einen Fortbildungsverein für Dorfburschen, einen Vorläufer der Kolpingschen Gesellenvereine. A. Trzyna, Zuccalmaglio, 162, 168

1830. Gründung des Königreichs Belgien. Erster König wurde Leopold, Prinz von Sachsen-Coburg-Gotha; dessen Nichte Victoria wurde 1837 Königin von Groß­britannien. Eine Verbindung Belgiens mit dem französischen Hause Orléans wurde von Großbritannien nicht gestattet. Zeit 18. 7. 1997

1830. kehrte Friedrich List als amerikanischer Konsul nach Deutschland zurück. dtvl

1830. ließ sich der 25jährige Königsberger Arzt Johann Jacoby als Arzt in seiner Heimatstadt nieder. MKL

1830. trat der 19jährige Franz Liszt erstmals als Konzertpianist auf. dtvl

1830. Um 1830 begründeten die Maler Ludwig Emil Grimm (ein Bruder der Gebrüder Grimm) und Gerhardt von Reutern eine Malerkolonie in Willingshausen bei Schwalmstadt (Hessen). Später kamen Hugo Mühlig und andere Vertreter der Düsseldorfer Malerschule dazu. NW 27.8.2005

1830. veröffentlichte Karoline von Wolzogen die Biographie »Schillers Leben«.

1830. wurde Europa von einer großen Grippe-Epidemie heimgesucht; die Epidemien hielten bis 1837 an. MKL 1898

1830.07. Julirevolution in Frankreich. Heinrich Heine in Berlin war begeistert: „Ich weiß jetzt wieder, was ich will, was ich soll, was ich muß… Ich bin der Sohn der Revolution… Reicht mir die Leier, damit ich ein Schlachtlied singe… Der Fscher, welcher mich gestern nach der kleinen Sandinsel, wo man badet, überfuhr, lachte mich an mit den Worten: ‚Die armen Leute haben gesiegt!‘“ Für Campe gab Heine die revolutionäre Schrift »Kahldorf über den Adel« heraus, deren Verfasser, ein linksradikaler Burschenschaftler, seit Jahren im Gefängnis saß.[42] In der Einleitung entwickelte Heine ein Bildungsprogramm als Voraussetzung für den Aufbau einer Zivilisation, und beklagte sich über die reaktionäre Hetzjagd: „Es ist jetzt die Zeit der hohen Jagd gegen die liberalen Ideen…, und es fehlt nicht an gelehrten Hunden, die das blutende Wort als gute Beute heranschleppen.“

1830.07. Julirevolution in Frankreich. Ludwig Börne zog begeistert als Korrespondent nach Paris. Er schrieb die »Briefe aus Paris«, die ihn vor allem bei Studenten berühmt machten. Beim Hambacher Fest 1832 wurde er umjubelt.

1830.07. Julirevolution in Paris und Aufstand in Warschau. 1831 beendete Zar ?? die polnische Autonomie in »Kongresspolen«. ZA Gesch. 5.7.2001 (Zeit) – Unruhen in Dresden und Leipzig. Der Advokat Bernhard Moßdorf entwarf eine demokratische Verfassung für Sachsen. Die Zeit 3.8.2000 (n.a.) – Der Jurist und Germanist Karl Simrock begrüßte die Pariser Julirevolution mit dem Gedicht »Drei Farben«, wurde daraufhin von König Friedrich Wilhelm III. aus dem preußischen Staatsdienst entlassen. Im gleichen Jahre erschien seine Übersetzung des »Armen Heinrich« von Hartmann von Aue. – Im August führte die Pariser Julirevolution auch in Köln zu Unruhen. Flugblätter mit der Überschrift »Freiheit oder Tod« wurden verteilt. Aus Furcht vor Ausschreitungen richteten Kölner Unternehmer am 30. August eine Bürgerwehr ein, weil das Militär zum Manöver abgerückt war. Am 31. August gab es eine große Demonstration von Arbeitern und Kleinhandwerkern, die aber friedlich blieb.[43] – Unruhen in Aachen; Lehrer und Schüler des KKG bewaffneten sich und versahen Wachdienste.[44]

1830.09. ging Ludwig Börne als begeisterter Anhänger der Julirevolution erneut nach Paris, das ihm als Mekka der politischen Freiheit galt, und geißelte von dort aus mit seinen »Briefen aus Paris« die reaktionären Zustände in Deutschland. Er polemisierte auch gegen seinen Landsmann Goethe. MKL

1831. begann der Leipziger Maler Julius Schnorr von Carolsfeld die Arbeit an den Nibelungenfresken in der Münchener Residenz. Die Nibelungensage galt ihm und dem Auftraggeber, König Ludwig I., als »der Mythos der Teutschen«.[45]

1831. brach Charles Darwin zu einer fünfjährigen Weltreise mit der »Beagle« auf. Begeistert las er unterwegs Alexander v. Humboldts Werk über dessen amerikanische Reise (1799-1804), die, so notierte er, »an Verdienst alles übrige bei weitem übertreffen, was ich gelesen habe«. Als Darwin zum ersten Mal einen tropischen Urwald erblickte, notierte er: »Ich bewunderte früher Humboldt, jetzt bete ich ihn beinahe an; er allein gibt einen Begriff von den Empfindungen, welche in der Seele erregt werden beim ersten Betreten der Tropen.«[46]

1831. errang Giacomo Meyerbeer 40jährig mit der Oper »Robert le diable« (»Robert der Teufel«) seinen ersten großen Erfolg in Paris. Das Libretto stammte von Eugène Scribe. Die Oper wurde in Frankreich zeitweise populärer als die Werke Rossinis und Aubers.

1831. erschien das Drama »Napoleon oder die hundert Tage« von Christian Dietrich Grabbe. 1835 folgte das Drama »Hannibal«, 1838 (postum) das Drama »Die Hermannsschlacht«. MGTL. Parallele zu Kleist!

1831. ging Heinrich Heine als Korrespondent der Augsburger Allgemeinen Zeitung ins Exil nach Paris. Metternich hatte ihn zuvor warnen lassen. IGDL 4, 16

1831. ging Heinrich Heine, entnervt von der politischen Zensur in Deutschland, nach Paris und wurde Korrespondent der »Augsburger Allgemeinen Zeitung«.

1831. scheiterte Schopenhauer bei dem Versuch, als Privatdozent in Berlin dem alternden Hegel Konkurrenz zu machen. Schopenhauer setzte seine Vorlesungen parallel zu denen Hegels an. Später hetzte er gegen die „Weiber“ und „jene unverschämtesten aller Sterblichen, die Hegelianer“. Link

1831. trat in der preußischen Provinz Westfalen eine revidierte Städteordnung in Kraft. www.bi-info.de

1831. verlor die ehemalige Freie Reichsstadt Köln nach langem Rechtsstreit ihr Stapelrecht. Es begann ein rasanter Aufstieg der Hafenstadt Düsseldorf zulasten Kölns. Als preußische Festungsstadt hatte Köln keine Freiflächen für Industrieansiedlungen zur Verfügung. Die Konkurrenz zwischen Kölner und Düsseldorfer Dampfschifffahrts-Gesellschaft führte zu mehreren Beinahe-Havarien. WDR 3, Januar 2012

1831. wurde der Wittenberger Physiker Wilhelm Weber 27jährig Professor in Göttingen und begann zusammen mit dem Mathematiker Karl Friedrich Gauß eine zehnjährige Forschungsreihe zum Erd- und Elektromagnetismus. Gauß erfand das Magnetometer und konstruierte gemeinsam mit Weber 1833 den ersten elektromagnetischen Telegraphen. MKL, MGTL

1831.03. plante Heine eine Studienreise nach Paris, um die »Doctrine de Saint-Simon« vor Ort zu studieren. Die Reise, die seine Emigration einleiten sollte, wurde vom Sozialisten und Saint-Simon-Anhänger Harmut Hesse und von Heines Onkel Henry Heine finanziert. Im Mai traf Heine in Paris ein. Bis dahin waren acht Bücher Heines erschienen: drei Gedichtbände (inklusive der drei Tragödien), vier Bände der »Reisebilder« und das Pamphlet »Kahldorf über den Adel«. Seinen Ruf begründeten vor allem die »Reisebilder«.[47] In Paris nahm er gleich Kontakt zu den Saint-Simonisten und ihrer Zeitung »Globe« auf. Die Saint-Simonisten wandten sich gegen den christ­lichen Sünde-Begriff vor allem im Zusammenhang mit Sex, predigten den sinnlchen Genuss, forderten die Befreiung der Frau.[48] Sein Monarchismus, sein Eintreten für die konstitutionelle Monarchie des Julikönigtums, brachte ihn in Konflikt mit den radikalen Republikanern. Er erweiterte seinen Revolutionsbegriff zur »Universalrevolution«.[49]

1831.07. gründeten Giuseppe Mazzini und ?? in Marseille die revolutionäre Geheimorganisation »Giovine Italia« (»Junges Italien«). MGTL, Wikip.

1831.08. starb Generalfeldmarschall August Wilhelm Graf Neidhardt von Gneisenau 70jährig als Kommandant des gegen die aufständischen Polen eingesetzten preuß. Korps in Posen an der Cholera. Auch sein langjähriger Assistent Carl von Clausewitz infizierte sich dort und starb am 16. 11. 51jährig in Breslau. MTL

1831.09. wurden der sächsische Demokrat Bernhard Moßdorf und sein Mitstreiter, der Fabrikant Bertholdi, in der Festung Königstein über der Elbe bei Dresden eingekerkert. Beide wurden mutmaßlich in der Haft ermordet oder in den Selbstmord getrieben. Die Zeit 3.8.2000 (n.a.)

1831.10. begann Heine als Korrespondent Cottascher Zeitungen im »Morgenblatt« mit der Veröffentlichung der Schrift »Französische Maler« (auch »Salon 1831«). Er beschrieb u.a. das Gemälde »Freiheitsgöttin« von Eugène Delacroix, das Gemälde »Cromwell vor der Leiche des hinerichteten Karl Stuart« von Paul Delaroche und das Gemälde »Die Schnitter« von Léopold Robert. Um 1833 schrieb er einem Freund, er sehe als als sein Anliegen, „den Franzosen das geistige Leben der Deutschen bekannt zu machen“ und umgekehrt. Es sei „seine jetzige pacifike Mission, die Völker einander näher zu bringen. Das aber fürchten die Aristokraten am meisten“, mit der Zerstörung nationaler Vorurteile verlören sie einen Großteil ihrer Macht über die Völker. An den Vergleich der Bilder von Delaroche und Robert knüpfte er eine Betrachtung über zwei Arten von Geschichte.[50] 1832 folgten die »Französischen Zustände«, 1834 die Schrift »Über die franzö­sische Bühne«; alle drei später zusammengefasst unter dem Titel »De la France – für Deutschland«.

1831.11. Aufstand von 38.000 Seidenwebern in Lyon. Wörterbuch Geschichte 2, 678

1831.13. Der preußische Offizier und Politologe Carl von Clausewitz starb 51jährig in Breslau an der Cholera (16. 11.). Der schwäbische Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel starb 61jährig in Berlin (14. 11.). Der preußische Offizier August Wilhelm Graf Neidhardt von Gneisenau starb 70jährig in Posen an der Cholera (23. 8.). Der hessisch-preußische Jurist und Staatsmann Karl Freiherr vom Stein starb 73jährig auf Schloss Cappenberg bei Selm (29. 6.).

1832. begann Adolf Glaßbrenner, seine subversiv-humorigen Berlin-Geschichten vom »Eckensteher Nante«, einem fiktiven Berliner Gelegenheitsarbeiter, über Groschenhefte und Volkskalender auch im einfachen Volk zu verbreiten. Tsp. 1.12.2000 (n.a.)

1832. gab Marie von Clausewitz den Nachlass ihres verstorbenen Mannes unter dem Titel »Vom Kriege« heraus (bis 1834). ZA Clau 7.11.2001 (SZ)

1832. setzte Arthur Wellesley Duke of Wellington als britischer Premierminister eine Demokratisierung des britischen Wahlrechts gegen die Konservativen durch, um den durch die Chartisten drohenden Bürgerkrieg zu vermeiden. Hegel polemisierte kurz vor seinem Tode dagegen und erklärte, die »mehrhundertjährige stille Arbeit der wissenschaftlichen Bildung, der Weisheit und Gerechtigkeitsliebe der Fürsten« habe in Deutschland viel mehr bewirkt als die Demokratie in England.[51]

1832. wurde der 16jährige Otto von Bayern, ein Sohn König Ludwigs I., König von Griechenland.

1832. wurde Johann Peter Friedrich Ancillon preußischer Außenminister und – ebenso wie sein Vetter Gentz – entschiedener Anhänger des reaktionären Metternich-Regimes. MGTL

1832. zog Anton Wilhelm v. Zuccalmaglio als Erzieher des Sohnes des russischen Fürsten Michail Gortschakow nach Warschau, wo er acht Jahre blieb. Die Stelle hatte ihm sein Onkel verschafft. A. Trzyna, Zuccalmaglio, 163f

1832.01. Am 22. Januar erschossen preußische Wachsoldaten in Fischau im Ermland neun Polen und verletzten etwa zwölf weitere schwer. Es handelte sich um eine Gruppe von ca. 800 ehemaligen polnische Soldaten, Teilnehmern des polnischen Novemberaufstandes von 1830, die in Ostpreußen ein Exil gefunden hatten. Nach „ewigen Händeln mit ihren Quartierwirthen“ wollte man ihnen neue Quartiere anweisen, worauf es zum Konflikt mit der preußischen Wachmannschaft kam. Diejenigen, denen der Zar eine Amnestie zusicherte, kehrten über die Grenze zurück. Ungefähr 700 Polen wollten per Schiff nach Amerika auswandern, wurden aber wegen Meuterei bereits in Le Havre an Land gebracht. Der polnische Nationaldichter Adam Mickiewicz verarbeitet den Vorfall in seinem Gedicht bzw. Gebet „Litania pielgrzymska“: „Erlöse uns, Herr, durch das Blut der Soldaten todtgeschlagen in Fischau von den Preußen!“ (Übers. von Heinrich v. Treitschke).  – Wikip.

1832.01. kam es in Fischau in Ostpreußen zu einem Krawall, bei dem neun polnische ehemalige Soldaten von preußischen Soldaten getötet und etwa zwölf weitere schwer verletzt wurden. Es handelte sich dabei um eine Gruppe von ca. 800 Teilnehmern des polnischen Novemberaufstandes von 1830, die nach dem Scheitern des Aufstands 1831 aus dem russisch beherrschten Kongresspolen fliehen mussten und in Preußen aufgenommen worden waren. Anlass für den Krawall war eine geplante Umquartierung der Polen. Der polnische Nationaldichter Adam Mickiewicz verarbeitet diesen Vorfall in seinem Gedicht bzw. Gebet „Litania pielgrzymska“: „Erlöse uns, Herr, durch das Blut der Soldaten todtgeschlagen in Fischau von den Preußen!“ Wikipedia: Fischau

1832.02? schloss Johann Wolfgang (von) Goethe seinen »Faust II« ab. Im März starb er 82jährig in Weimar.

1832.05. trafen sich 30.000 Menschen, überwiegend aus der Rheinpfalz, in Hambach bei Neustadt an der Hardt zum Hambacher Fest, um den Jahrestag der bayerischen Verfassung zu feiern. Die Frauen lud man ausdrücklich mit zum Hambacher Fest ein: »Deutsche Frauen und Jungfrauen, deren politische Missachtung in der europäischen Ordnung ein Fehler und Flecken ist, schmücket und belebet die Versammlung durch eure Gegenwart!«[52] Die Burschenschaftler Wirth, Siebenpfeiffer u. a. propagierten in flammenden Reden die Volkssouveränität und die Schaffung einer einigen deutschen Republik in einer Konföderation europäischer Freistaaten. Man sang das Lied »Fürsten, zum Land hinaus!«. Die bayerische Regierung schickte Truppen nach Hambach, unterdrückte die Bewegung, ließ Wirth und Siebenpfeiffer verhaften. Am 28. Juni und 5. Juli reagierte der Bundestag mit reaktionären Beschlüssen. MKL Hambacher Fest – Nach dem Hambacher Fest schränkte König Ludwig I. die Presse- und Versammlungsfreiheit in Bayern ein und hielt seine Beamten zu Denunziationen an. Die Pariser Julirevolution hatte ihn stark beunruhigt. Gleichzeitig strich er die Mittel für den Erhalt der Infrastruktur zusammen. Sein Architekt Klenze notierte: »Die Straßen, Flüsse, Brücken, Gebäude verfallen täglich mehr, … die Unterrichts­anstalten sind jämmerlich.«[53]

1832.07. befahl der preußische König per Kabinettsordre den Bau des Preußischen optischen Telegrafen, einer 588 km langen Reihe von 62 Telegrafenstationen, die mit optischen Signalen Nachrichten von Berlin über Köln nach Koblenz übermitteln konnten und umgekehrt. November 1832 waren die ersten 14 Stationen zwischen Berlin und Magdeburg fertig; Anfangspunkt war die alte Sternwarte Dorotheenstraße. In Magdeburg war die Station auf dem Dach der Kirche St. Johannes angebracht, in Köln gab es eine auf dem Turm von St. Pantaleon. Die Endstation war auf dem Dach des Kurfürstlichen Schlosses in Koblenz. In Köln-Flittard und Hennef-Söven sind Stationen erhalten. Der Telegraf wurde bis 1849 betrieben und dann durch den elektischen Telegrafen abgelöst. Die Übertragung eines Zeichens dauerte im Schnitt 7 bis 14 Minuten. Zur Codierung gab es ein Silbenbuch; jede Silbe wurde als dreistellige Zahl übermittelt. Wik.

1832.07. starb der schwäbische Schriftsteller und Satiriker Karl Julius Weber 65jährig in Kupferzell. Seine nachgelassenen frivolen Schriften begannen unter dem Titel »Demokritos oder hinterlassene Papiere eines lachenden Philosophen« zu erscheinen (bis 1840). dtvl

1832.12. wurde in Leipzig die Gustav-Adolfs-Stiftung, das spätere Gustav-Adolf-Werk gegründet und veranstaltete November 1833 die erste Gedenkfeier für den schwedischen Warlord in Lützen. Die Hinwendung der evangelischen Kirche zum deutschen Nationalismus lief parallel mit Wagners Germanenkult um Siegfried und die Nibelungen. Der Verein förderte vor allem das protestantische Deutschtum im katholisch geprägten Ausland, z. B. in Polen.[54] Wik.

1832.13. Der Verleger Johann Friedrich Cotta (von Cottendorf) starb 68jährig in seiner Geburtsstadt Stuttgart. Der Breslauer Konservative und Publizist Friedrich Gentz starb 68jährig in Wien (9. 6.). Der Frankfurter Dichter usw. Johann Wolfgang von Goethe starb 82jährig in Weimar. Der schwäbische Schriftsteller und Satiriker Karl Julius Weber starb 65jährig in Kupferzell.

1833. begann der 20jährige Richard Wagner, aufgewachsen in Dresden und Leipzig, seine Theaterkarriere als Chordirektor in Würzburg. Es folgten Engage­ments in Lauchstädt, Magdeburg und Königsberg. 1836 heiratete er die vier Jahre ältere Schauspielerin Minna Planer (1809-1866).

1833. begann der Biologe Johannes Müller ein vielbändiges »Handbuch der Physiologie des Menschen« (vollendet 1844). Damit begründete er die Biophysik und die Biochemie. Gleichwohl hing er bis zu seinem Tode dem Vitalismus an.

1833. begann der Streit zwischen Heinrich Heine und Ludwig Börne. Beide waren chronisch krank. Heine spottete über Börnes mangelhafte literarische Qualitäten. Börne hielt Heine für politisch unzuverlässig und unmoralisch. Er schrieb, Heine werde von zwei Meinungen stets die vertreten, die er in klangvollere Worte kleiden könne.

1833. begann der Wiener Komponist und Orchesterleiter Johann Strauß d. Ä., mit seinem Orchester Konzertreisen nach Deutschland, Paris und London zu unternehmen. Damit begründete er die Unter­haltungs­musik in Europa. 1835 wurde Strauß Hofballdirektor und begründete in dieser Funktion alsbald die Wiener Ballkultur.

1833. beschäftigte sich der 28jährige Königsberger Arzt Johann Jacoby in einer Schrift mit der Frage der Judenemanzipation und kritisierte den Oberregierungsrat Streckfuß. MKL

1833. bildete sich um Robert Schumann ein Kreis junger Künstler, der sich regelmäßig im Leipziger Lokal Zum Arabischen Coffe Baum einfand. Sie nannten ihre Gruppe Davidsbund, opponierten gegen die »Philister« und trugen – in der Tradition der damals beliebten Geheimbünde – Phantasienamen. Der Bund tauchte in mehreren Werken Schumanns auf, z. B. in den Davidsbündlertänzen und im Carnaval. Wikip.

1833. brannte es im Hause von Heinrich Heines Mutter in Hamburg. Dabei gingen wahrscheinlich auch Heines Exzerpte und Studien für das Romanprojekt »Der Rabbi von Bacherach« verloren, nicht jedoch, wie Heine später behauptete, ein fertiges Manuskript. H. Heine, Rabbi, 76

1833. erschien postum Goethes Drama »Faust II«.

1833. regte Friedrich List in Leipzig die Gründung der Leipzig-Dresdener Eisenbahn an, bekam aber nicht die erhoffte Anstellung. Er lebte als Schriftsteller in Paris, später in Augsburg. dtvl

1833. reiste der Berliner Militärgerichtsrat Gustav Nicolai auf der klassischen deutschen Bildungsroute durch Italien: Venedig, Florenz, Rom, Neapel. Im folgenden Jahr veröffentlichte er sein Anti-Italienreisebuch »Italien wie es wirklich ist«: verwanzte Hotelbetten, betrügerische Wirte, lästige Bettler, schmutzige Straßen, elendes Brot, widriges Öl, stinkender Fisch, nervtötende Ciceroni. Statt körperlos zu reisen wie die Enthustiasten, zählte er seine Flohstiche. Das Buch löste in Deutschland einen kleinen Skandal aus, alle lästerten über den Philister Nicolai ab. Nachdruck 2016, Rez. Fr 14.6.2018

1833. übersetzte Karl Simrock Gedichte Walthers von der Vogelweide. MKL

1833. wurde Felix Mendelssohn Bartholdy Städt. Musikdirektor in Düsseldorf (bis 1835). MTL Musik

1833. wurden die Werke Heinrich Heines in Preußen verboten, zwei Jahre später auf Beschluss des Frankfurter Bundestages auch in allen anderen Mitgliedsstaaten des Deutschen Bundes.

1833.03. starb Rahel Varnhagen geb. Levin 61jährig in Berlin. Postum erschienen im gleichen Jahr ihre Briefe und Aufzeichnungen in dem Band »Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde«. 1836 folgte der Band »Galerie von Bildnissen aus Rahels Umgang und Briefwechsel«. MTL

1833.04. stürmten etwa 60 bewaffnete revolutionäre Studenten die Frankfurter Hauptwache und die Konstablerwache, um einen Aufstand gegen den deutschen Bundestag auszulösen. Der Aufstand blieb aus, die Studenten wurden vom Militär zerstreut, einige verhaftet. Am 30. Juni setzte der Bundestag eine Zentral­untersuchungskommission ein, die schließlich etwa 1800 Menschen, hauptsächlich Burschenschaftler, verhaften und einkerkern ließ. MKL Frankfurter Attentat. – Wilhelm Sauerwein dichtete dazu das »Lied der Verfolgten im Turm«, aus dem später das Lied »Die freie Republik« und das Hecker-Lied entstanden.

1833.05. starb der Jurist Paul Johann Anselm Feuerbach, seit 1808 Ritter von F., 57jährig in Frankfurt. Sein Sohn Ludwig F. war 29, sein Enkel Anselm F. war 3. Sein Schützling Kaspar Hauser wurde sieben Monate später in Ansbach ermordet.

1833.07. Im Sommer versuchten preußische Offiziere wahrscheinlich, Heinrich Heine in Paris durch ein provoziertes Duell zu beseitigen.[55]

1833.08. wurden in den britischen Kolonien Amerikas sämtliche afrikanischen Sklaven freigelassen, insgesamt 639.000, davon 322.000 auf Jamaica. Die Pflanzer erhielten (vom Staat?) 20 Mio. Pfd. Entschädigung. MKL 16, Sklaverei

1833.12. erschien Heines Band »Der Salon. Erster Band« mit der Schrift »Französische Maler«, der Erzählung »Schnebelowopski«, Gedichten und einer heftigen Vorrede über Flüchtlingselend, die den deutschen Monarchen französische Revolutionen androhte. Der Band wurde in Preußen und anderso sofort verboten.[56]

1833.13. Der Jurist Paul Johann Anselm von Feuerbach starb 57jährig in Frankfurt. Das Nürnberger Findelkind Kaspar Hauser wurde 21jährig in Ansbach ermordet (17. 12.). Die Moderatorin und Schriftstellerin Rahel Varnhagen von Ense geb. Levin starb 61jährig in ihrer Geburtsstadt Berlin.

1834. erschienen die ersten (beiden?) Bände von Heinrich Heines Sammelwerk »Der Salon«. Darüber schrieb Metternich [vielleicht auch erst *1840] an den Fürsten Wittgenstein: »Ich empfehle ihnen dieses Werk, weil es die Quintessenz der Absichten und Hoffnungen der Bagage, mit der wir uns beschäftigen, enthält. Zugleich ist das Heinesche Produkt ein wahres Meisterwerk in Beziehung auf Styl und Darstellung. Heine ist der größte Kopf unter den Verschworenen«.[57]

1834. etwa malte Caspar David Friedrich das Bild »Die Lebensstufen«. Abbildung in MGTL

1834. gründete Robert Schumann in Leipzig die »Neue Zeitschrift für Musik«. Ab 1835 veröffentlichte Anton Wilhelm v. Zuccalmaglio dort etliche Beiträge unter Pseudonymen (»Dorfküster Wedel«). Man erkannte ihn immer an seiner übertriebenen Neigung zur Sprachreinigung. Wegen der Herzenswärme, mit der Z. über Musik schrieb, fand Schumann, dass er »eine Perle von Mensch« sei. A. Trzyna, Zuccalmaglio, 164f

1834. trat auf Anregung von Friedrich List der Deutsche Zollverein zwischen Preußen, Hessen-Darmstadt, Kurhessen, Bayern, Württemberg, den thüringischen Staaten und Sachsen in Kraft; Hannover schloss sich 1854 an. MTL

1834. vereinigte Giuseppe Mazzini seine 1831 in Marseille gegründete Freiheitsbewegung »Giovine Italia« mit dem »Jungen Deutschland« und einer polnischen Freiheitsbewegung zum »Jungen Europa«. MTL Mazzini – Ludolf Wienbarg veröffentlichte die Abhandlung »Ästhetische Feldzüge«. Sie galt als theoretisches Manifest der Bewegung »Junges Deutschland«, zu der sich auch Ludwig Börne, Karl Gutzkow, Heinrich Heine, Heinrich Laube und Theodor? Mundt zählten. 1835 wurde die Bewegung als staatsgefährdend verboten. MGTL – Der hessische Publizist und Revolutionär Georg Büchner 20jährig veröffentlichte zusammen mit Ludwig Weidig Kampfschriften unter dem Titel »Der hessische Landbote«. Mit der Parole »Friede den Hütten! Krieg den Palästen!« riefen Büchner und Weidig die Bauern zum Aufstand gegen den Adel auf. Der Aufstand blieb aus; Büchner musste, von den Häschern des Darmstädter Fürstenhauses verfolgt, im Frühjahr 1835 nach Straßburg fliehen. – Der schlesische Student Wilhelm Wolff wurde 25jährig in Breslau unter dem Vorwurf des Verstoßes gegen das Pressegesetz und der Majestätsbeleidigung verhaftet und nach langer Untersuchungshaft zur Festungshaft auf der Festung Silberberg verurteilt. Ein Zellengenosse war der Schriftsteller Fritz Reuter. – Wikip.

1834. veröffentlichte Leopold Ranke den ersten Band seiner »Neun Bücher preußischer Geschichte« und den ersten Band seines Werks »Die römischen Päpste«. In diesen Werken entwickelte Ranke sein Prinzip des Eigenwerts jeder Epoche und den sog. Objektivitätsanspruch der Geschichtswissenschaft. MGTL

1834. wurde der 33jährige Hamburger Architekt Gottfried Semper Professor in Dresden.

1834. wurde in London die erste kohlensäurehaltige Limonade eingeführt: Schweppes. Sie war einer der ersten Markenartikel der Welt. Der Name geht auf den hessischen Erfinder Johann Jakob Schweppe zurück, der 1783 ein Verfahren zur Herstellung von Sodawasser erfunden hatte. www.schweppes.de

1834.04. der zweite Aufstand der Seidenweber von Lyon. Wörterbuch Geschichte 2, 678

1834.10. Im Herbst verliebte sich Heinrich Heine ##jährig in die ##jährige Französin Crescentia Eugénie Mirat, genannt Mathilde, und heiratete sie sieben Jahre später, August 1841            . Heines Biograf Jochanan Trilse-Finkelstein spricht von einer „armseligen Beziehung“, reiht sie ein in andere „kümmerliche Beziehungen“ deutscher Klassiker.[58]

1834.13. Der mecklenburgische Offizier und Freiheitskämpfer Adolf Wilhelm von Lützow starb 52jährig in Berlin (6. 12.).

1835. begann der deutsche Eisenbahnbau mit der Strecke Nürnberg-Fürth. Bis 1913 wurden in Deutschland 63.000 km Eisenbahngleise gebaut. Das deutsche Roheisen wurde 1835 noch zu 95 % mit Holzkohle hergestellt. Als 1837 die Linie Dresden-Leipzig gebaut wurde, wurden 5650 t Koksroheisen benötigt – 90 % der Jahresproduktion in Preußen. Deshalb mussten Roheisen, Schienen und Loko­motiven zunächst aus England importiert werden. 1843 stammten erst 10 % der Schienen aus deutscher Produktion, 1854 waren es bereits 58 % und 1863 sogar 85 %. Als 1838 die Linie Berlin-Potsdam eröffnet wurde, seufzte König Friedrich Wilhelm III.: »Alles soll Karriere gehen, die Ruhe und Gemütlichkeit aber leiden darunter. Kann mir keine große Seligkeit davon versprechen, ein paar Stunden früher in Berlin und Potsdam zu sein.«[59] – Die Finanzierung erfolgte über die Ausgabe von Aktien. Schon die Finanzierung der Linie Magdeburg-Leipzig 1836 löste einen Aktienboom aus: 2,3 Mio. Taler sollten finanziert werden, doch schon in zwei Tagen waren 5,2 Mio. Taler gezeichnet. 1837 war das Kapital für den Bau der Linie Frankfurt/Oder-Breslau sogar schon innerhalb eines einzigen Tages zusammen. Ulrike Herrmann resümiert: »Geld ist nie knapp, sondern stets im Überfluss vorhanden.«

1835. bekam Carl Bertelsmann die Konzession für eine Buchdruckerei in Güters­loh. Er druckte dort vor allem Liederbücher und Predigertexte für die prote­stantische Erweckungsbewegung. ZA 1.1.2000 (Medien)

1835. brachte Baedeker den ersten Reiseführer heraus, natürlich über den Rhein »von Straßburg bis Düsseldorf«. 1850 kreuzten bereits eine Million Passagiere auf Rheindampfern stromauf und -ab,  überwiegend Engländer. taz 13.5.2000 (n.a.)

1835. dichtete August Heinrich Hoffmann von Fallersleben das Lied »Morgen kommt der Weihnachts­mann«. Es gilt als erste literarische Erwähnung des Weihnachtsmanns. Postfrisch 6.2011

1835. erschien das Werk »Das Leben Jesu« v. David Friedrich Strauß. – Vgl. auch das 1863 ersch. gleichnamige Werk von Ernest Renan.

1835. erschien Georg Büchners Drama »Dantons Tod«. Büchners Vater hatte seinen Revoluzzersohn unter Hausarrest gestellt und zum Medizinstudium gezwungen. Während des Schreibens wandte sich Büchner vom Gedanken der Revolution ab und verzweifelte schier ob des »grässlichen Fatalismus der Geschichte«. Uraufführung *1902. WDR 5, 5.1.2002, ZeitZeichen

1835. erschien in Paris Heinrich Heines Werk »Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland«, mit dem Heine den Franzosen die deutschen Tiefen und Untiefen verständlich machen wollte. Maßgeblich für Krockow: Die Deutschen in ihrem Jahrhundert (Vorwort, S. 13).

1835. gründeten # in München die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank. Sie gab noch im gleichen Jahr die ersten deutschen Banknoten aus. 1838 folgte die Leipziger Bank.[60]

1835. kam der 27jährige Magdeburger Schneidergeselle Wilhelm Weitling nach Paris und schloss sich dort dem »Bund der Geächteten« an. 1836 traten Weitling und andere Handwerker aus dem Bund aus und gründeten den »Bund der Gerechtigkeit« (oder »Bund der Gerechten«). Sie beriefen sich auf die Ideen Babeufs.[61]

1835. liierte sich der 24jährige Star-Pianist Franz Liszt mit der Gräfin Marie d’Agoult in Paris und lebte bis 1839 in wilder Ehe mit ihr zusammen, wobei drei Kinder gezeugt wurden, darunter die Tochter Cosima. Heinrich Heine schilderte die »Lisztomania«, in die der Pianist sein überwiegend weibliches Publikum versetzen konnte, vor allem durch den plötzlichen Wechsel zwischen Bruta­lität und Weichheit.[62]

1835. löste Karl Gutzkows Roman »Wally, die Zweiflerin« einen Skandal aus. Gutzkow war 24. MGTL

1835. verbot der Bundesrat zu Frankfurt auf Betreiben des reaktionären Journalisten Wolfgang Menzel sämtliche vergangenen und zukünftigen Schriften des »Jungen Deutschland«, darunter die Schriften Börnes. Ludwig Börne polemisierte dagegen mit der Streitschrift »Menzel, der Franzosenfresser« (1836). MKL

1835. veröffentlichte Ludwig Bechstein den »Sagenschatz und die Sagenkreise des Thüringerlandes«. MKL

1835. veröffentlichte Wilhelm Sauerwein das »Lied der Verfolgten« mit den Zeilen: Wenn die Fürsten fragen: / Was macht Absalom? / Lasset ihnen sagen: / Ei, der hänget schon – / Doch an keinem Baume, / Und an keinem Strick, / Sondern an dem Traume / Einer Republik! Die biblische Gestalt Absalom (Altes Testa­ment: 2. Samuel 18, 9) verkörperte hier die deutschen Repu­blikaner und Demokraten, die nach dem Hambacher Fest 1832 wegen scharfer Verfol­gungen durch die Fürsten ins Ausland emigrieren mussten. Aus dieser Vorlage entstand später das Lied »Die freie Republik« (auf sechs Studenten, die 1836 am Sturm auf die Frankfurter Hauptwache teilgenommen hatten und 1837 aus der Haft fliehen konnten) und nach 1849 das Hecker-Lied.[63]

1835.03. starb Kaiser Franz I. von Österreich (bis 1806 Kaiser Franz II.) 67jährig in Wien.

1835.07. versuchte Heine, seinen Verleger zu einer hohen Erstauflage der Schrift »Die romantische Schule« zu überreden. Er schrieb ihm: „Ich bin Ihr einzger Classiker… Sie wissen genauso gut wie ich, daß meine Bücher, egal welche, noch oft aufgelegt werden müssen – und ich wiederhole meine Bitte, handeln Sie kristlich in der Exemplar-Zahl meiner Auflage. O, liebster Campe, ch gäbe was drum, wenn Sie mehr Religion hätten! Aber das Lesen meiner Schriften hat Ihrem Gemüthe viel geschadet, jenes zarte gläübige Gefhl, das Sie sonst besaßen, ist verloren gegangen. Sie glauben nicht mehr, durch gute Werke selig zu werden, nur der Schund ist Ihnen angenehm, Sie sind ein Pharisäer geworden, der in den Büchern nur den Buchstaben sieht und nicht den Geist, ein Saduzäer, der an keine Auferstehung der Bücher … glaubt, ein Atheist, der im Geheim meinen heiligen Namen lästert – o thun Sie Buße, bessern Sie sich!“[64]

1835.09. übernahm Felix Mendelssohn Bartholdy 26jährig die Leitung des Leipziger Gewandhaus-Orchesters. Damit begann die Glanzzeit der Leipziger Musikszene. Der Schriftsteller Barthold Senff notierte 1842: „Überall Concert, und überall Publicum.“ Am 9. November 1835 führten Mendelssohn, Louis Rakemann und die 16jährige Pianistin Clara Wieck  Johann Sebastian Bachs Konzert für drei Klaviere und Orchester in d-Moll auf. Damit begann die Bach-Renaissance. Zeitläufte 25.2.2010 – Mendelssohn Bartholdy begründete das dortige Konservatorium. 1836 entstand in Leipzig sein Oratorium »Paulus«. MTL Musik

1835.09. veröffentlichte der konservative Publizist Wolfgang Menzel eine polemische Abrechnung mit der „Unmoralischen Literatur“ der Literaten des »Jungen Deutschland«. Die Bezeichnung ging auf Ludolf Wienbarg zurück. Menzels Hetze richtete sich speziell gegen einen Roman von Karl Gutzkow. Der Bundestag griff die Vorlage dankbar auf und verfügte Dezember 1835 ein Verbot der Schriften aller Autoren der Gruppe einschließlich Heines. Gutzkow und andere machten Rückzieher; Wienbarg blieb standhaft und verarmte; Heinrich Laube wurde trotz seiner Taktierens zu Festungshaft verurteilt, die er aber auf einem Landsitz des Fürsten von Pückler-Muskau absitzen durfte.[65] Heine wurde durch diese Ereignisse endgültig ins Exil gezwungen.

1835.12. wurde Clemens August von Droste zu Vischering, bislang Weihbischof von Münster, zum Kölner Erzbischof gewählt. Im seit 1825 schwelenden Mischehenstreit nahm er scharf gegen die preußische Regierung Stellung. Seit 1825 galt das Gesetz, dass Kinder in Mischehen nach der Konfession des Vaters erzogen werden mussten; das war im Rheinland meist die protestantische. November 1837 verbot Droste-Vischering alle Vorlesungen am Priesterseminar, weil der Bonner Theologe Hermes die preußische Position unterstützt hatte. Deshalb wurde Droste-Vischering am 20. November vom preußischen Militär verhaftet und auf die Festung Minden verbracht. Erst eine im Frühjahr 1838 erschienene Streitschrift von Joseph Görres machte Drostes Aufstand im Rheinland populär.[66]

1835.13. Der Potsdamer Philologe und Bildungsreformer Wilhelm von Humboldt starb 67jährig in Tegel (8. 4.).

1835.13. Kaiser Franz I. von Österreich starb 67jährig in Wien (2. 3.). Der brandenburgische Sprachforscher, Philosoph und Bildungsreformer Wilhelm von Humboldt starb 67jährig in Tegel bei Berlin.

1835k erschien Georg Büchners Drama »Dantons Tod«, warm empfohlen von Karl Gutzkow, nach MKL »ein Torso voller Phantasie, charakteristischer Kraft und gewaltiger historischer Wahrheit, um der letztern willen auch voll Cynismen und Greuelszenen«.


[1]    Ausstellung »Mythos Heimat« im Landesmuseum Hannover, nach NW 25.3.2016

[2]    P. Waldbauer: Lexikon antisemitischer Klischees, S.  157

[3]    Das Volksliederbuch, S. 287

[4]    Küsse für den Fuß der Venus. Monumente 11/12, 2007, S. 53 (Ordner Geschi: Ludwig)

[5]    J. Trilse-F.: Gelebter Widerspruch, S. 39ff

[6]    Das Volksliederbuch, S. 283

[7]    Das Volksliederbuch, S. 291

[8]    MTL Musik, Klassik

[9]    IGDL 4, 21

[10] J. Trilse-F.: Gelebter Widerspruch, S. 42f

[11] J. Trilse-F.: Gelebter Widerspruch, S. 45, 55, 57

[12] J. Trilse-F.: Gelebter Widerspruch, S. 59

[13] Zit. nach J. Trilse-F.: Gelebter Widerspruch, S. 61f

[14] J. Trilse-F.: Gelebter Widerspruch, S. 46ff

[15] J. Trilse-F.: Gelebter Widerspruch, S. 48

[16] H. Heine in einem Brief an seinen Schwager Moritz Embden, nach J. Trilse-F.: Gelebter Widerspruch, S. 32

[17] J. Trilse-F.: Gelebter Widerspruch, S. 10, 64. Gemeint sind der deutschnationale Historiker und Antisemit Friedrich Rühs (1781-1820) und der Philosoph und Antisemit Jakob Friedrich Fries (1773-1843). Dieser war Vordenker einer sog. »Urburschenschaft«.

[18] J. Trilse-F.: Gelebter Widerspruch, S. 62, das folgende S. 63

[19] Küsse für den Fuß der Venus. Monumente 11/12, 2007, S. 53 (Ordner Geschi: Ludwig)

[20] J. Trilse-F.: Gelebter Widerspruch, S. 77. Mit den Büchern sind das »Buch der Lieder« und das »Lyrische Intermezzo« gemeint.

[21] H. Heine, Rabbi, 73; Gedenktafel an der Wernerkapelle in B. (2001)

[22] Peter Weiß: Die Bibliothek in Berlin. Reportage für »Stockholms Tidningen«, Juni 1947. ~Werke in 6 Bänden, Bd. 1, Frankfurt 1991, S. 129

[23] H. Mayer: Georg Büchner, S. 336

[24] J. Trilse-F.: Gelebter Widerspruch, S. 50, 69

[25] J. Trilse-F.: Gelebter Widerspruch, S. 67f

[26] J. Trilse-F.: Gelebter Widerspruch, S. 78f

[27] Küsse für den Fuß der Venus. Monumente 11/12, 2007, S. 51ff (Ordner Geschi: Ludwig)

[28] J. Trilse-F.: Gelebter Widerspruch, S. 66f

[29] Die Heine-Box. Argon Verlag, Berlin 2005

[30] J. Trilse-F.: Gelebter Widerspruch, S. 84

[31] Zitiert nach J. Trilse-F.: Gelebter Widerspruch, S. 81

[32] J. Trilse-F.: Gelebter Widerspruch, S. 89f

[33] J. Trilse-F.: Gelebter Widerspruch, S. 85f

[34] J. Trilse-F.: Gelebter Widerspruch, S. 91f

[35] Die Heine-Box. Argon Verlag, Berlin 2005

[36] Ausstellung »Loreley und andere Lieder« im Düsseldorfer Heinrich-Heine-Institut, 2013. Nach WDR 3, 22.7.2013

[37] WDR 3, Klassik am Morgen, 19.11.2003

[38] J. Trilse-F.: Gelebter Widerspruch, S. 96

[39] H. Mayer: Georg Büchner, S. 336

[40] J. Trilse-F.: Gelebter Widerspruch, S. 93f

[41] J. Trilse-F.: Gelebter Widerspruch, S. 95ff

[42] H. Heine: Briefe aus Helgoland. Zit. nach J. Trilse-F.: Gelebter Widerspruch, S. 99. Zu Kahldorf S. 100f.

[43] Chronik Kölns, S. 237

[44] Chronik des Kaiser-Karls-Gymnasiums auf www.kaiser-karls-gymnasium.de (2008)

[45] Küsse für den Fuß der Venus. Monumente 11/12, 2007, S. 53 (Ordner Geschi: Ludwig)

[46] Zit. nach L. Lütkehaus: Hinaus, immer nur hinaus. Die Zeit 30.4.2009

[47] J. Trilse-F.: Gelebter Widerspruch, S. 102, zu den »Reisebildern« S. 105.

[48] J. Trilse-F.: Gelebter Widerspruch, S. 132

[49] J. Trilse-F.: Gelebter Widerspruch, S. 134

[50] J. Trilse-F.: Gelebter Widerspruch, S. 166ff

[51] W. Hegemann: Entlarvte Geschichte, S. 224ff

[52] Zeitläufte 25.8.2005

[53] Küsse für den Fuß der Venus. Monumente 11/12, 2007, S. 53f (Ordner Geschi: Ludwig)

[54] WDR3 Lebenszeichen 22.11.2020

[55] J. Trilse-F.: Gelebter Widerspruch, S. 142

[56] J. Trilse-F.: Gelebter Widerspruch, S. 136f

[57] Literaturkurier 6.10.2005 über eine Sendung des SWR-Fernsehens am 11.10.2005

[58] J. Trilse-F.: Gelebter Widerspruch, S. 143ff

[59] U. Herrmann: Die Krise des Kapitals, S. 53f

[60] U. Herrmann: Die Krise des Kapitals, S. 116

[61] W. Seidel-Höpfner: Der liberale Selbstbetrug. Zeitläufte 9.10.2008

[62] MTL Musik und WDR 3 Klassikforum, 5.1.2018

[63] Steinitz II.91

[64] Zit. nach J. Trilse-F.: Gelebter Widerspruch, S. 149

[65] J. Trilse-F.: Gelebter Widerspruch, S. 137f

[66] Chronik Kölns, S. 237

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