Deutschland ohne Nazis: Chronik 1970-1977 (Material)

Diese Chronik dient mir als Materialsammlung für das Kapitel „Bewegung und Beton: 1970-1980“ in dem Buchprojekt Deutschland ohne Nazis: 1790-1990.

1970. besuchte Bundespräsident Gustav Heinemann immer wieder Gefängnisse, darunter den »Meisenhof« in Castrop-Rauxel.  Heinemann mahnte die Einhaltung der Grundrechte an und redete die Strafgefangenen als „Staatsbürger hinter Gittern“ an. Er kritisierte, dass die Familien der Gefangenen durch Briefzensur und Besuchsverbote gefährdet würden, was dem Schutz der Familie nach Artikel 6 GG widerspreche. In der Gefangenenzeitung der Anstalt „Meisenhof“ wurde der Bundespräsident 1970 liebevoll angekündigt: „Der Justav ist der Vater aller, oder?“ Zum Abschied überreichte ein Gefangener dem Bundespräsidenten ein handgedrechseltes Kranich­pärchen mit den Worten: „Aus Verehrung für den Mann, der die Freiheit so liebt.“[1] – 1971.02. beauftragte Bundesjustiz­minister Gerhard Jahn die Werbeagentur Young & Rubicam mit einer Werbekampagne für die Resozialisierung von Strafgefangenen.[2]

1970. erreichte die Zahl der Verkehrstoten in West­deutsch­land mit 21.332 ihren höchsten Stand (58 Tote pro Tag!). 1965 waren es 17.483; bis 1975 fiel die Zahl wieder auf 17.011, bis 1985 auf 10.070. FR 30.1.2001 (n.a.)

1970. feierte die Deutsche Bank ihr hundertjähriges Jubiläum. Aus dem Aufsichtsrat lenkte noch immer Hermann Josef Abs die Geschicke der Bank, in deren Vorstand er 1938 eingetreten war. Wer die westdeutsche Wirtschaft symbolisch treffen wollte, der zielte auf Abs. Martin Walser agitierte im »Spiegel« gegen die unkritische Festschrift, mit der die Bank ihr Jubiläum bestritt. Der Ost-Berliner Historiker Eberhard Czichon veröffentlichte als Gegenstück das Buch »Der Bankier und die Macht«. Darin bezichtigte er Abs diverser Naziverbrechen und präsentierte ihn als heimlichen Herrscher der Bonner Republik. Die DDR-Propagandisten# verklagten# Abs vor dem Stuttgarter Landgericht. Erst nachdem die Deutsche Bank Gegenklage erhoben hatte, prüften mehrere Historiker in Ost-Berlin, darunter Kurt Gossweiler,[3] das Buch. Sie gelangten zu demselben Ergebnis wie die Abs-Berater: Czichon hatte schlampig gearbeitet; gegen die Klage der Bank war juristisch nichts auszurichten. Der Schadenersatzanspruch der Bank bedrohte mit Pahl-Rugenstein den angesehen­sten unter den von der DDR im Westen finanzierten Verlagen. Abs kostete seinen Sieg öffentlich nicht aus. Man verständigte sich unter der Hand darauf, den Schadenersatz nicht beizutreiben. Die SED# sagte zu, die Angriffe auf Abs und die Bank einzustellen. Das Czichon-Buch sollte vom westdeutschen Markt verschwinden. Probekäufer überprüften, ob sich der Verlag daran hielt; antiquarisch erhältliche Exemplare kaufte die Bank. Abs betrieb mit Wilhelm Treue die Gründung der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte. Treue war gleichzeitig Professor an der Universität Hannover, Archivleiter beim Kölner Bankhaus Sal. Oppenheim und kommissarischer Leiter des Historischen Archivs der Deutschen Bank. Er und sein Frankfurter Mitarbeiterstab lieferten das Material, mit dem Abs vor Gericht siegte. Als Journalist rezensierte Treue das Czichon-Buch in der »Zeit«. Als Historiker rechnete Treue in drei Fachzeitschriften mit der ostdeutschen Geschichts­schreibung und dem Prozess ab. Redigiert wurden diese Manuskripte nicht von anonymen Gutachtern der Zeit­schriften, sondern von den Justiziaren der Deutschen Bank.[4]

1970. führte Bertelsmann ein Modell für die Gewinnbeteiligung der Beschäftigten ein. ZA 1.1.2000 (Medien)

1970. gründete der Mediziner und Molekularbiologe Jens Reich in Berlin/DDR einen oppositionellen »Freitagskreis«. – Wik.

1970. In den 1970er Jahren entwickelte sich eine väterliche Freundschaft zwischen Rudi Dutschke und Ernst Bloch. Wik.

1970. In den 1970er Jahren erreichte die weltweite Hippie-Bewegung die DDR. Die Hippies der DDR nannten sich »Zeugen«, »Blueser« oder »Tramper«. Mangels Haschisch konzentrierten sie sich meistens auf Alkohol, Rockmusik und Sex. Die Stasi beschränkte sich weitgehend aufs Beobachten der Szene.[5]

1970. richtete Bayern das erste Umwelt- und Natur­schutzministerium Deutschlands ein. Max Streibl wurde der erste Umweltminister (bis 1977) und trieb den Alpenschutz voran. – Bernhard Grzimek regte gemeinsam mit Hubert Weinzierl die Gründung des Nationalparks Bayerischer Wald an – einer deutschen Serengeti mit Wölfen und Luchsen. Grzimek wollte die Jagd im Nationalpark komplett unterbinden. ARD 14.7.2008

1970. Um 1970 präsentierte die DDR-Firma Narwa auf der Hannovermesse eine langlebige Glühbirne. Sie konnte sich im Westen nicht durchsetzen, weil sich die europäischen und amerikanischen Glühbirnen­hersteller schon in den 1920er Jahren darauf geeinigt hatten, die Betriebsdauer von Glühbirnen im Allgemeinen auf 1000 Stunden zu begrenzen. Der Künstler Billinger erfand später eine Glühbirne mit angeblich 150.000 Stunden Brenndauer. Auch in China gab es in den 2000er Jahren langlebige Glüh­birnen.[6]

1970. versprach Bundesverkehrsminister Georg Leber (SPD), bis 1985 würden 85% der West­deutschen einen Autobahnanschluss innerhalb von 10 km um ihren Wohnort haben.[7]

1970. wurde das Dr.-Oetker-Logo blau eingefärbt (zuvor war es rot).[8]

1970. wurde das Urteil gegen Arnold Strippel, den Mörder der Kinder vom Bullenhuser Damm, wegen seiner Verbrechen in Buchenwald revidiert und rückwirkend auf sechs Jahre Haft reduziert. Strippel, 1969 entlassen, erhielt 121.500 DM Haftentschädigung. *1979[9]

1970. wurde der Soziologe Helmut Schelsky Professor der neu gegründeten Universität Biele­feld, an der ersten soziologischen Fakultät einer deutschen Uni.

1970. wurde die Münchener »Landfahrerzentrale« aufgelöst, die die von den Nazis angelegten Akten über »Zigeuner« (Sinti und Roma) weiterverwendet hatte. *1980.04. JiB 1980, 47

1970. wurde Hanns Martin Schleyer Ehrensenator der Universität Innsbruck, wo er 1938-40 das Studentenwerk geleitet hatte. Er verbrachte seinen Urlaub stets entweder in Meersburg oder in Innsbruck.[10]

1970.01# wurde die DDR von einem schweren Wintereinbruch mit viel Eis und Schnee vorübergehend lahm gelegt. Besonders problematisch war die Vereisung und spätere Verschlam­mung der Braunkohle-Tagebaue. Zugleich feierte die SED den 100. Geburtstag Lenins im April und den 25. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus im Mai. Die Winterkrise wurde mit zusätz­lichen Arbeitseinsätzen von Arbeitern, Schülern, Studenten und Soldaten reguliert.[11]

1970.01. prägte Walter Ulbricht die Formel »Überholen ohne einzuholen«. Er meinte damit einen eigenen technischen Entwicklungsweg der sozialistischen Länder, der nicht dem gleichen Weg folgen sollte, den die kapitalistischen Länder eingeschlagen hatten. In Moskau sprach er von der »Erforschung noch nicht gedachter technologischer Prozesse und automatisierter Fließsysteme«, was man dort für wunderlich hielt. Ulbricht hoffte auf »völlig neue Wirk- und Arbeitsprinzipien«.[12]

1970.01. startete der SWF (ARD) die Tierporträtserie »Sterns Stunde« von und mit Horst Stern. – Wik.

1970.01. wurde Heinar Kipphardt Chefdramaturg an den Münchener Kammerspielen.

1970.02. Am 13. Februar kam der niedersächsische Soziologe und SDS-Vordenker Hans-Jürgen Krahl 27jährig bei einem Autounfall ums Leben. Schon während seines Begräbnisses einigten sich die verbliebenen SDS-Vorständler darauf, den SDS aufzulösen. – Wik.

1970.02. Am 13. Februar kamen bei einem Brandanschlag auf ein Altersheim der Israelischen Kultusgemeinde in München sieben Menschen ums Leben. 2013 gab die Bundesanwaltschaft an, dass wahrscheinlich Linksterroristen der »Tupamaros München« und der »Aktion Südfront München« hinter dem Anschlag standen – also »Linke« als Täter eines typisch faschistischen Verbrechens. NW 1.10.2013

1970.02. wurde die Neue Galerie (Sammlung Ludwig) im Alten Kurhaus zu Aachen eröffnet, um Peter Ludwigs Sammlung moderner Kunst zu zeigen.

1970.03. gründeten die Schriftsteller Erasmus Schöfer, Günter Wallraff und andere in Köln den Werkkreis Literatur der Arbeitswelt. Er ging aus der von Fritz Hüser gegründeten Dortmunder »Gruppe 61« hervor. WA 5.3.2020

1970.03. Selbstauflösung des SDS in Hannover. Einige Aktivisten gingen in den Untergrund, darunter Ulrike Meinhof und Horst Mahler. ZA Fischer 8.1.2001 (Spiegel)

1970.03. starb Heinrich Brüning 84jährig in den USA. Seine Memoiren erschienen. Der Frank­furter Kommunist Emil Carlebach veröffentlichte eine Kurzfassung ad usum communium (»Von Brüning zu Hitler«).

1970.03. trat der zunächst zwischen den USA, Großbritannien und der Sowjetunion geschlossene Atomwaffensperrvertrag in Kraft.

1970.03. traten acht Offiziersanwärter der Bundeswehr in Hamburg mit einem Bundeswehr-Reformprogramm als »Leutnante 70« an die Öffentlichkeit. Unter anderem forderten sie, dass Bundeswehr-Offiziere in der Friedensforschung mitarbeiten sollten. Mai 1970 stellten auch 13 wehrpflichtige Soldaten in Bonn ein Reformprogramm »Soldat 70« vor. Wolf Graf Baudissin, Verteidigungsminister Helmut Schmidt und andere nahmen Stellung. Ein Jahr später traten dem die konservativen »Hauptleute von Unna« entgegen. Wik.

1970.03. wurden die Nachrichtensendungen «Tagesschau» und «heute» erstmals in Farbe ausgestrahlt.

1970.04. dehnte US-Präsident Richard Nixon den Vietnamkrieg auf Kambodscha aus.

1970.04. erklärte Paul McCartney auf einer Pressekonferenz seine Trennung von den »Beatles« – und damit das Ende der legendären britischen Gruppe.

1970.04. schrieb die FDJ-Zeitung »Junge Welt« zu Ehren des 100jährigen Lenin einen Wettbewerb mit Preisausschreiben aus: Die Leser sollten sich vorstellen, wie sie Donnerstag, den 6. Januar 2000, verbringen werden. Es gab tausende von Antworten. Die 500 Einsender der originellsten Texte wurden für den 8. Januar 2000 zu einem Bankett nach Berlin eingeladen, das tatsächlich stattfand. ksta 11.1.2000

1970.04. verkündete der britische Barde Paul McCartney in einem »Interview mit sich selbst« das Ende der »Beatles«. Intern hatte John Lennon bereits im September 1969 die Band für aufgelöst erklärt. Im Mai 1970 erschienen noch der Film und das Album »Let It Be«, zeitgleich mit Soloalben von McCartney und Ringo Starr. Lennons erstes Soloalbum »Give Peace a Chance« war bereits im Juli 1969 erschienen. ZA Beatles 9.4.2020 (AN)

1970.04. wurde der Linksterrorist Andreas Baader festgenommen. Am 14. Mai befreiten Ulrike Meinhof, Gudrun Enßlin, Horst Mahler u.a. in einer bewaffneten Aktion Baader aus der Haft. Die Baader-Meinhof-Bande entstand. ZA Fischer 8.1.2001 (Spiegel) – Im Sommer reisten Baader, Meinhof, Enßlin, Mahler, Astrid Proll u. a. nach Jordanien und ließen sich von Palästinensern im »bewaffneten Kampf« aus­bilden. Dabei wurde die Ermordung des potentiellen Verräters Peter Homann diskutiert. Die Zeit 30. 5. 1997

1970.05. besuchte Willi Stoph, Ministerpräsident der DDR, Kassel, wo er sich mit Bundeskanzler Brandt traf. Es gab eine von Faschisten organisierte gewalttätige Gegendemonstration, aus der im Oktober die »Aktion Widerstand« hervorging.  – Wikip.

1970.06. Am 30. Juni lief auf der Berlinale der Spielfilm »o. k.« von Michael Verhoeven und Rob Houwer. Er zeigte die Vergewaltigung und Ermordung eines südvietnamesischen Mädchens (gespielt von der 15jährigen Eva Mattes) durch amerikanische Soldaten. Der Autor hatte diese Episode des Vietnamkrieges nach Bayern verlegt. Gustl Bayrhammer spielte einen amerikanischen Oberst (Colonel). Der Jurypräsident, der amerikanische Filmregisseur George Stevens, versuchte insgeheim, einen Ausschluss des Films aus dem Wettbewerb durchzusetzen. Die Autoren machten den Zensurfall öffentlich und wurden von den Festspielleitern als Lügner beschimpft. Schließlich zogen mehrere Regisseure, darunter Rainer Werner Fassbinder, ihre Filme aus Solidarität zurück, die zerstrittene Jury löste sich auf, die Berlinale wurde abgebrochen.[13]

1970.07. Europop-Festival im Reitturnierstadion Aachen mit Deep Purple, Pink Floyd, Mungo Jerry, Kraftwerk, Amon Düül, Champion Jack Dupree u.a.[14] Organisatoren waren die beiden Studenten Karl-August Hohmann und Golo Goldschmitt. Sie hatten das Glück, bei Besuchen in London Pink Floyd für 2000 £ und Mungo Jerry sogar für 150 £ engagieren zu können. Oberbürgermeister Hermann Heusch drohte Hohmann im Vorfeld, das »Gammler-Festival« mit allen Mitteln zu verhindern. Doch es fand statt Auch der damals 10jährige Autor war anwesend (gemeinsam mit Mutter und Schwester).

1970.07. senkte der Bundestag das Wahlalter von 21 auf 18 Jahre. In der Weimarer Republik hatte es bei 20 Jahren gelegen, 1949 war es auf 21 erhöht worden. Prantls Blick 26.7.2020

1970.08. unterzeichneten Bundeskanzler Willy Brandt, Außenminister Walter Scheel, der sowjetische Ministerpräsident Alexej Kossygin und der sowjetische Außenminister Andrej Gromyko im Moskauer Kreml den Deutsch-Sowjetischen Vertrag (Moskauer Vertrag). Er enthielt die westdeutsche Anerkennung der Westgrenze Polens (Oder-Neiße-Grenze). Wik.

1970.09. Wilde Streiks in der wdt. Autoindustrie, u. a. bei Ford in Köln.

1970.10. führte Hanns Dieter Hüsch durch das Konzert zum 25jährigen Jubiläum des Orchesters Kurt Edelhagen. WDR3 19.2.2019

1970.10. gründeten rund 3000 Faschisten und Revanchisten in Würzburg die »Aktion Wider­stand«. Initiator war Bernhard Wintzeck. Bei der anschlie­ßenden Demonstration durch die Stadt riefen sie: »Walter Scheel und Willy Brandt – Volksverräter an die Wand! (…) Deutsches Land wird nicht verschenkt – eher wird der Brandt gehängt!« – Wikip.

1970.10. inszenierte der westdeutsche Filmregisseur Tom Toelle nach einem Buch von Wolfgang Menge das Fernsehspiel »Das Millionenspiel« und löste damit heftige Diskussionen aus. Toelle und Menge nahmen die späteren Perversionen im Privatfernsehen vorweg: Freiwillige lassen sich eine Woche lang von Killern jagen, um im Überlebensfalle eine Million DM zu gewinnen. ZA Toelle 29.3.2006; ZA Khatami 14.7.2000 (taz, Rücks.) Wik.

1970.10. wurde auf Anregung von Hans Eisenmann (1923-1987) der Nationalpark Bayerischer Wald gegründet. Das bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten kündigte an, dort entstehe »ein Urwald für unsere Kinder und Kindeskinder«. Tafel im Hans-Eisenmann-Haus dortselbst

1970.11. Am 29. November strahlte der NDR die erste Folge der Krimiserie »Tatort« aus: »Taxi nach Leipzig«. Walter Richter spielte den Kriminalkommissar Paul Trimmel in Hamburg. Friedhelm Werremeier hatte die Romanvorlagen geschrieben. Klaus Doldinger komponierte und spielte die Titelmusik (mit Udo Lindenberg am Schlagzeug). Wikip. – ZA Gesch 25.11.2000 (NW)

1970.11. Joschka Fischer, Tom Koenigs und andere Rebellen schlichen sich als Arbeiter bei Opel ein, um die Revolution weiterzutreiben. ZA Fi 8.1.2001 (Spiegel)

1970.11. schlug Günter Grass seinem Duzfreund Willy Brandt in einem Brief vor, er solle ihn, Siegfried Lenz und Marion Dönhoff mit nach Warschau nehmen. Grass hoffte, wie er schrieb, dass die Dramaturgie des Staatsbesuchs »nicht so glatt« ablaufen würde wie gewohnt, was schon durch den Umstand nahe liege, dass es keine diplomatischen Beziehungen zwischen West­deutsch­land und Polen gab. Lenz, Dönhoff und er sollten den Teil der Flüchtlinge und Vertriebe­nen repräsentieren, die den bornierten Standpunkt der Vertriebenenverbände nicht teilten. Grass verwies darauf, dass sämtliche Romane von Lenz in Polen übersetzt worden seien. Im Dezember reagierte Brandt mit einer offiziellen Einladung an Grass, an der Unterzeichnung des Warschauer Vertrages teilzunehmen.[15] – Marion Gräfin Dönhoff schrieb 1970: »Niemand kann heute mehr hoffen, dass die verlorenen Gebiete je wieder deutsch werden.« Jedoch schlug sie im Sommer Brandts Einladung zur Unterzeichnung des Warschauer Vertrages aus.[16]

1970.11. wurde die Bonner Kaiserhalle im Zuge des U-Bahn-Baus abgerissen. Auch die noch erhaltenen Gründerzeithäuser gegenüber vom Hauptbahnhof wurden abgerissen. An ihrer Stelle entstanden nach Plänen von Friedrich Spengelin das »Bonner Loch«, der Busbahnhof und die sog. Südüberbauung. Der Bonner Kunsthistoriker Heinrich Lützeler warnte vor der Gefährdung Bonns, »sich selbst zu zerstören«. 2014 präsentierten Christoph Mäckler und Rolf-E. Breuer dieses abschreckende Beispiel in ihrer Ausstellung »Plätze in Deutschland 1950 und heute – eine Gegenüberstellung«.[17]

1970.12. besuchte Bundeskanzler Willy Brandt Warschau und unterzeichnete den Warschauer Vertrag. Am 7. Dezember legte er einen Kranz vor dem Denkmal für das Warschauer Ghetto nieder und fiel vor dem Denkmal auf die Knie. postfrisch 1.11.2020 (Ordner dG 1970)

1970.12. Im Dezember besuchte Bundeskanzler Willy Brandt Warschau und fiel am 7. Dezember vor dem »Denkmal der Helden des Ghettos« auf die Knie (Kniefall von Warschau, Wik.). Am gleichen Tag unterzeichneten Brandt und der polnische Ministerpräsident Józef Cyrankiewicz sowie die Außenminister Walter Scheel und ## den Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Grundlagen der Normalisierung ihrer gegenseitigen Beziehungen (Warschauer Vertrag). Wik.

1970.12. Im Dezember diskutierten die Journalisten Henri Nannen und Gerhard Löwenthal im ZDF# über die Politik von Willy Brandt. Das Fernsehduell wurde von 15 bis 20 Millionen Zuschauern gesehen. Löwenthal warf Nannen in der Sendung die Verwicklung in ein Kriegs­verbrechen in Italien vor. Nannens Mitarbeiter Weidemann habe im oberitalienischen Bevilacqua (Venetien) einen Partisanen und eine unschuldige Geisel hängen lassen und Nannen selbst sei verwickelt gewesen. Nannen ging gegen diese Behauptung gerichtlich vor. »Stern«-Reporter machten die beiden für die Tat verantwortlichen deutschen Unteroffiziere ausfindig und ent­deckten ein 70 Seiten starkes Dossier über Nannen, das Journalisten des Axel Springer Verlages eineinhalb Jahre zuvor zusammengestellt hatten. Axel Springer und Welt-Chefredakteur Herbert Kremp hatten die Vorwürfe jedoch nicht veröffentlicht.[18]

1970.13. Der niedersächsische Soziologe, Sozialist und Revolutionär Hans-Jürgen Krahl kam 27jährig bei einem Autounfall bei Wrexen ums Leben (13. 2.).

1970.13. Der westfälische Zentrumspolitiker und Reichskanzler a. D. Heinrich Brüning starb 84jährig in seiner Exilheimat Norwich (Vermont, USA) (30. 3.). Der Berliner Architekt Egon Eiermann starb 66jährig in Baden-Baden.

1970.13. Im Jahr 1970 starben 19.193 Menschen im westdeutschen Straßenverkehr (zum Vergleich: 2021 waren es 2569), mehr als eine halbe Million Menschen wurden bei Autounfällen verletzt. Wichtigste Unfallursache war überhöhte Geschwindigkeit.[19]

1970k Claus Peymann führte Peter Handkes Stück »Kaspar« im Theater am Turm in Frankfurt urauf und gründete mit Peter Stein und # die Schaubühne am Halleschen Ufer in West-Berlin. Peter Stein übernahm die künstlerische Leitung der Schaubühne und eröffnete sie mit Brechts Drama »Die Mutter«. HPL

1970k Die Deutsche Bundespost startete eine Briefmarkenserie mit dem Porträt von Bundes­präsident Gustav Heinemann. Es war die letzte Serie dieser Art. postfrisch 6/2014 (Geschi)

1970k Die erste Tiefkühl-Pizza in Deutschland wurde angeboten: „Pizza alla Romana“. In den 1990er Jahren verdreifachte sich in der Bundesrepublik der Absatz von Tiefkühlkost; im Jahr 2000 lag er bei 144.460 Tonnen. Metro News 1.2.2001 (www.metro24.de)

1970k Elisabeth Mann Borghese war einziges weibliches Gründungsmitglied des »Club of Rome«. Ihr Anliegen war der Schutz der Weltmeere. Sie gründete das Internationale Ozean-Institut auf Malta. Die Zeit Literaturbeilage, Dez. 2001

1970k In Köln erschien die erste Single der Band de Bläck Fööss mit dem Titel »Rievkooche-Walzer«. 1971 folgte ihr erster Hit: »Drink doch eine met«. Der Germanist Helmut Brackert veröffentlicchte eine Übersetzung des Nibelungenliedes; 1973 erschien eine weitere von Ulrich Pretzel.[20] Der Arzt Hoimar von Ditfurth veröffentlichte sein populär­wissen­schaftliches Werk »Kinder des Weltalls«, mit dem er bekannt wurde.[21] Die Sängerin Katja Ebstein kam mit »Wunder gibt es immer wieder« auf Platz 3 beim Grand Prix d’Eurovision, 1971 mit »Diese Welt« wieder auf Platz 3.[22] Der Politologe Ossip K. Flechtheim begründete mit dem Buch »Futurologie – der Kampf um die Zukunft« die Wissenschaft der Futurologie. Der Schriftsteller Uwe Johnson veröffentlichte den ersten Band des Romans »Jahrestage. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl«. Der Germanist Klaus P. Scherpe veröffentlichte das Werk »Werther und Wertherwirkung«, 1971 folgte »Die Klassik-Legende« von Reinhold Grimm und Jost Hermand. Entscheidender Aspekt für die Beurteilung eines Dichters oder Schriftstellers war nun die Frage, ob er zu Lebzeiten dem sozialen Fortschritt gedient hatte oder nicht.[23] Der Schriftsteller Arno Schmidt veröffentlichte sein 5000 Seiten starkes Monumentalwerk »Zettels Traum«. Wegen seiner – auch im Layout sichtbaren – Nicht-Linearität, die eine kontinuierliche Lektüre bewusst unterbinden sollte, kann man es zur Kategorie Hypertext zählen. Das Werk gibt den Lesern unzählige Rätsel auf und bietet zahllose versteckte Hinweise auf Querverbindungen an. Fans bildeten Leserzirkel, in denen Andeutungen, Assoziationen und versteckte Zusammenhänge diskutiert wurden. Die Mehrheit des literarischen Publikums und der Literaturkritik lehnte das angeblich unlesbare Werk ab oder ignorierte es.[24] Der Düsseldorfer Liedermacher Dieter Süverkrüp sang das kommunistische Kinderlied vom »Baggerführer Willibald« (»Das hat doch keinen Zweck. / Der Boss geht besser weg. / Dann bau’n wir für uns selber / ein schönes Haus mit Keller…«). Der WDR verbot seinen Musikredakteuren mehrfach, dieses Lied zu senden.

1971. begann die 24jährige Petra Kelly ein Liebes­verhältnis mit dem [Vize-]Präsidenten der EG-Kommission, dem 64jährigen Niederländer Sicco Mansholt (1908-1995). (Schwarzer 1993:108)

1971. beschloss der 8. Parteitag der SED auf Antrag des neu gewählten 1. Sekretärs, Erich Honecker, ein großes Wohnungsbauprogramm. Es begann der Bau der ostdeutschen Plattenbauten. Tsp. 8.10.2003

1971. gab es einen Eklat in der Berliner Volksbühne bei einer von Manfred Langhoff inszenierten Aufführung von Schillers Drama »Die Räuber«. Es gab eine vernichtende Kritik. SED-Funktionäre warfen dem Theater vor, keinen gesellschaftlichen Standpunkt zu haben. Das sei das Lebensgefühl reicher Söhne von Kapitalisten. arte 5.11.2009

1971. hatte der »Spiegel« knapp 900 Beschäftigte: rund 400 in der Redaktion, 100 in der Dokumentation sowie knapp 400 in den kaufmännischen und technischen Abteilungen. Man führte ein Mitbestimmungsmodell, mehr Demokratie innerhalb der Redaktion und eine Gewinnbeteiligung der Mitarbeiter ein. Die Auflage betrug 923.000 verkaufte Exemplare, die Zahl der Leser ca. 6 Millionen – das entsprach 12 Prozent aller in der BRD und Berlin-West lebenden Menschen über 14 Jahre. 10-15% der Auflage gingen ins Ausland.[25]

1971. Ingeborg Bachmanns Roman »Malina« wurde unverhofft ein Bestseller. Hauptfigur und Ich-Erzähler/in ist eine gespaltene Persönlichkeit, die aus einem weiblichen und einem männlichen Ich besteht. Bachmann sagte dazu, ihre bis dahin geschriebenen Ichs seien immer männlche Ichs gewesen. In »Malina« habe sie zum ersten Mal ihr weibliches Ich zugelassen – natürlich nur, damit es sich vom männlichen Widerpart töten lassen konnte. WDR 3, 19.6.2001. – Heinrich Bölls Roman »Gruppenbild mit Dame« erschien. Die erste Auflage von 50.000 Exemplaren war bereits bei Erscheinen vergriffen. Die Geschichte einer illegalen Liebe zwischen der unkonventionellen Frau Helene Maria Pfeiffer (Leni) und dem russischen Kriegsgefangenen Boris Koltowski spielt zum Teil während des Krieges in einer Friedhofsgärtnerei, zum Teil in den frühen 50er Jahren. – Marion Gräfin Dönhoff bekam den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen. In ihrer Dankesrede applaudierte sie Herbert Marcuses Warnung vor dem »eindimensionalen Menschen«, der sich willfährig den Gesetzen des Marktes unterwirft.[26]Walter Felsenstein inszenierte an der Komischen Oper (West-)Berlin das Musical »Anatevka« (»The Fiddler On The Roof«) mit Shmuel Rodensky in der Hauptrolle. Es erlebte 506 Aufführungen bis 1988 und wurde von rd. 500.000 Menschen gesehen. – Das Kölner Politkabarett »Floh de Cologne« spielte die Rock-Oper »Profitgeier« ein. – Der ostdeutsche Schriftsteller Peter Huchel reiste aus der DDR nach West­deutsch­land aus. – Der Regisseur Claus Peymann führte Peter Weiß‘ Stück »Hölderlin« in Frankfurt urauf. – Der 26jährige Filmregisseur Wim Wenders gründete in München zusammen mit zwölf Kollegen den Filmverlag der Autoren.

1971. interviewte der »Spiegel« den ostdeutschen Liedermacher Wolf Biermann.

1971. öffnete in München die erste deutsche McDonald’s-Filiale. 1973 wurde dort der erste deutsche Big Mäc verkauft. ksta 2.12.1996, 19.9.1998

1971. regte der Frankfurter Kulturdezernent Hilmar Hoffmann (SPD) die Gründung des ersten »Kommunalen Kinos« in Deutschland an. ZA Hoffm. 25.8.2005 (NW)

1971. spürten Beate und Serge Klarsfeld den Naziverbrecher Klaus Barbie in Bolivien auf. 1972 versuchten Régis Debray und Monika Ertl, Barbie zu entführen, doch das Vorhaben scheiterte.  — Wikip.

1971. startete das ZDF die Rateshow »Dalli Dalli« mit Hans Rosenthal. Rosenthal wurde zum beliebtesten Quizmaster Westdeutschlands. Tsp. 23.11.2001 – Das ZDF statrete die Serie »VIP-Schaukel« mit Margret Dünser, die etwa sechs Mal im Jahr ausgestrahlt wurde. Bis zu ihrem Tod 1980 interviewte Dünser über 200 internationale Stars und Berühmtheiten, darunter J. Wayne, O. Welles, H. Miller, J. Gabin, R. Burton, N.? Rothschild.[27] – Rudi Carrell startete in der ARD seine Quiz-Show »Am laufenden Band«. – Das ZDF-Magazin »Kennzeichen D« wurde erstmals unter diesem Namen ausgestrahlt. Der Titel spielte auf das in beiden Teilen Deutschlands verwendete Nationalitäten­kennzeichen an. Moderator war Hanns Werner Schwarze. Das Magazin galt als linksliberales Gegenstück zu Gerhard Löwenthals »ZDF-Magazin«. Wikip. – Der DFF startete das ostdeutsche Gesundheitsmagazin »Visite« (Januar).

1971. startete die Deutsche Bundespost eine Briefmarkenserie »Jederzeit Sicherheit« zum Thema Unfallverhütung. Motive z. B. ein Streichholz mit Flamme, darin ein Mensch; der Sturz von einer Leiter; eine Hand an der Kreissäge; Alkohol am Steuer; ein Bauhelm unter fallendem Ziegelstein; ein defektes Stromkabel. postfrisch 6/2014 (Geschi)

1971. vertrat Rechtsanwalt Otto Schily seinen wegen Terroristenunterstützung angeklagten Kollegen Horst Mahler. Die Zeit 22.11.2001

1971. wagte die Regisseurin Ruth Berghaus als Theaterdirektorin am Schiffbauerdamm und als Nachfolgerin von Helene Weigel einen Neubeginn. Sie engagierte Heiner Müller und inszenierte 1973 die Uraufführung seines Stücks »Zement«. Ein Jahr zuvor hatte sie Peter Hacks’ »Omphale«  uraufgeführt. Beliebigkeit kann ich nicht ausstehen, weder im Alltag noch in der Kunst. Kunst ist nie beliebig, immer entschieden und genau. (Ruth Berghaus)

1971. wurde „Vorsprung durch Technik“ zum Leitsatz des Unternehmens Audi NSU Auto Union.

1971. wurde der 41jährige Essener Bankier Alfred Herrhausen Vorstandsmitglied der Deutschen Bank. MTL

1971. wurde die Bielefelder Szenekneipe »studio X« nach Drogenvorfällen geschlossen. Im September öffnete an gleicher Stelle die Kneipe »Badewanne«, in der alsbald die Bands »Black Sabbath« und »Uriah Heep« auftraten. NW 6.5.2006

1971. wurde die DM gegenüber dem US-$ um 13,6% aufgewertet: 1 US-$ = 3,22 DM.

1971. wurde Günter Prinz Chefredakteur der »Bild Zeitung«. 2017 behauptete er im Interview: »Ich gehöre zu der Generation, die verhungert wäre, wenn die Amerikaner nicht mit Weißbrot nach Berlin gekommen wären… Mein Vorgänger Peter Boenisch hatte in den sechziger Jahren eine Kohle zu viel draufgelegt, aber ich in den siebziger Jahren nicht… Bild war immer konservativ, und diese Haltung habe ich gerne in Journalismus übersetzt.« Bei den nackten Frauen in »Bild« wurden stets die Brustwarzen und Bauchnabel wegretuschiert. Axel Springer wollte einmal eine Sex-Quote von 10 % durchsetzen, doch das ging aus technischen Gründen nicht.[28]

1971. wurde nach langen innerparteilichen Machtkämpfen der NPD-Vorsitzende Adolf von Thadden vom früheren baden-württembergischen Landtagsabgeordneten Martin Mussgnug abgelöst. Mussgnug befürwortete eine Zusammenarbeit mit Gerhard Frey, konnte sich damit aber in der NPD nicht durchsetzen. Zur gleichen Zeit löste sich die neofaschistische »Aktion Widerstand« auf.[29]

1971. wurde William Calley, der Befehlshaber des Massakers von My Lai, in den USA zu lebens­länglicher Haft verurteilt, aber schon 1974 begnadigt. *Notizen3

1971.01. startete das DDR-Fernsehen die Gesundheitsberatungsserie »Visite«. In jeder Folge wurde eine Krankheit und ihre Behandlung beschrieben, vom Fußpilz bis zu Magenbeschwerden. Auch gab es gelegentlich Sex-Tipps. 1990/91 wurde die beliebte Serie vom NDR übernommen. NW 2.1.2016

1971.01. wurde im Bismarck-Anwesen Friedrichsruh bei Ham­burg eine 100-Jahr-Feier der Reichsgründung von 1871 begangen. Ex-Kanzler Kurt-Georg Kiesinger sprach mit dem Tenor, dass man »die letzten hundert Jahre deutscher Geschichte weder total glorifizieren noch total verwerfen« dürfe. In der Großen Koalition hatte die CDU 1969 eine offizielle Teilnahme der Bundesregierung an der für 1971 geplanten Feier durchgesetzt.[30] Im gleichen Monat und aus gleichem Anlass gründete der Münchener Verleger und Faschist Gerhard Frey im Münchener »Franziskanerbräu« mit etlichen Getreuen die Deutsche Volksunion (DVU).[31]

1971.02. definierte das Bundesverfassungsgericht in seiner »Mephisto-Entscheidung« die Kunstfreiheit und ihre Grenzen genauer. Wegen eines Patts wurden die beiden Verbotsurteile gegen Klaus Manns Roman »Mephisto« nicht für verfassungswidrig erklärt.[32] Das Bundesverfassungsgericht wies mit Stimmengleichheit die Verfassungsbeschwerde der Nymphenburger Verlagsanstalt gegen das Verbot von Klaus Manns »Mephisto«-Roman zurück. Die Richter Erwin Stein und Wiltraut Rupp-von Brünneck veröffentlichten ein Minderheitenvotum.[33]

1971.02. stimmte die Mehrheit der Schweizer Männer für das Wahlrecht der Frauen. Winter 1971 wurden die ersten zwölf Frauen als Abgeordnete des Nationalrats und des Ständerats vereidigt. SZ 6.2.2021

1971.02. stimmten fast zwei Drittel aller stimmberechtigten Schweizer Männer für die Einführung des  Frauenwahlrechts auf eidgenössischer Ebene.

1971.03. traten 30 konservative Hauptleute und Kompaniechefs aus der 7. Panzergrenadier­division der Bundeswehr, die sog. »Hauptleute von Unna«, den Reformprogrammen für die Bundeswehr und den Forderungen der »Leutnante 70« öffentlich entgegen. Generalmajor Eike Middeldorf war Spiritus rector der Aktion. Wik. – April 1971 gab Middeldorf der Illustrierten »Stern« ein Interview über Hintergründe. Der »Stern« veröffentlichte es jedoch nicht, sondern berichtete, dass Middeldorf über seinen Rechtsanwalt als Ausgleich für Karrierenachteile ein Honorar von 100.000 DM gefordert habe. Daraufhin versetzte Verteidigungsminister Schmidt ihn in den einstweiligen Ruhestand. Middeldorf war 1941-45 im Stab der 4. Panzer-Division der Wehrmacht und danach im Oberkommando des Heeres tätig gewesen. Wik.

1971.04. demonstrierten in Fessenheim im Elsass 15.000 französische, deutsche und schweize­rische Atomkraftgegner gegen das dort geplante Atomkraftwerk. 1972 kündigte der »Staatsanzeiger Baden-Württemberg« die großräumige Zerstörung des Rheintals zwischen Frankfurt und Basel zugunsten der deutsch-französischen Industriepolitik an: »Rückt die EWG näher zusammen, wird das Rheintal zwischen Frankfurt und Basel die Wirtschaftsachse überhaupt werden. Ob dann noch Platz für Umweltschutz ist, muss bezweifelt werden.«[34]

1971.04. inszenierte Hansgünther Heyme eine Aufführung von Wolf Biermanns Stück »Der Dra-Dra. Die Große Drachentöterschau in acht Akten mit Musik«. Wie vom Autor gewünscht, arrangierten die Dramaturgen Michael Hatry und Ulrich Greiff im Programmheft eine Doppelseite mit Personen der Zeitgeschichte als exemplarischen Zielen des Drachentöters. Eine davon war der Münchener OB Hans-Jochen Vogel. Obwohl Chefdramaturg Heinar Kipphardt nach einem Gespräch mit dem Intendanten August Everding die Veröffentlichung der Fotos unterbunden hatte, gelangte eine interne Kopie der Vorlage an die Presse oder an Günter Grass. Grass löste eine Pressekampagne gegen Kipphardt aus. Grass, Arnulf Baring und Hans-Jochen Vogel warfen Kipphardt vor, politische Gegner auf eine Abschussliste gesetzt zu haben. Vogel sagte: »Es ist der Stadt nicht zuzumuten, einen Mann zu beschäftigen, der zur Ermordung des Oberbürgermeisters auffordert.« Kipphardts Vertrag als Chefdramaturg der Münchener Kammerspiele wurde im Mai auf Druck Vogels vom Kulturausschuss des Münchener Stadtrats nicht verlängert, entgegen dem Votum Everdings.[35]

1971.04. kam die Schlagersängerin Katja Ebstein, genannt »die rote Katja«, mit dem Umweltlied »Diese Welt« auf den 3. Platz beim Grand Prix d’Eurovision de la Chanson. Den Text schrieb Fred Jay.

1971.05. öffnete sich die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) auf ihrem Bundeskongress in Oberhausen für jüngere Mitglieder ohne familiäre Anbindung an Verfolgte und nannte sich in VVN Bund der Antifaschisten um. Der Beschluss stand im Zusammenhang mit dem aktuellen Kampf gegen die NPD und die neofaschistische „Aktion Widerstand“. Antifa Mai 2016

1971.05. Seit Ende 1968 formierten sich in der BRD sozialistische Studentengruppen in einer »Assoziation Marxistischer Studenten« (AMS). Diese lokalen Gruppierungen schlossen sich Mai 1971 auf Bundesebene als »Marxistischer Studentenbund Spartakus« (MSB) zusammen und beendeten damit explizit die bisherige Studentenbewegung: »Der MSB Spartakus ist kein intellektueller Debattierklub und Tummelplatz für vom wissenschaftlichen Betrieb enttäuschte Studenten«, so der erste Bundesvorsitzende Christoph Strawe auf dem Gründungskongress. jW 10.4.2021

1971.05. übernahm Erich Honecker als Nachfolger von Walter Ulbricht das Amt des Ersten Sekretärs des Zentralkomitees der SED.

1971.05. verlas die 30jährige Wibke Bruhns als erste deutsche Frau die Fernseh-Nachrichten (bei »heute«). Sie blieb zwei Jahre und moderierte fast 400 Mal. ZA Gesch 31.3.2003 (NW)

1971.06. löste Horst Stern mit dem Beitrag »Bemerkungen über das Haushuhn« in seiner Serie »Sterns Stunde« einen Skandal aus, da er die Hühnerhaltung in Legebatterien offen darstellte. – Wik.

1971.06. startete die DFF-Krimiserie »Polizeiruf 110«, eine Replik auf den westdeutschen »Tatort«, mit der Folge »Der Fall Lisa Murnau«. Mord und Totschlag waren beim »Polizeiruf 110« eher die Ausnahme.

1971.06. veröffentlichte Daniel Ellsberg in der »New York Times« die sog. Pentagon-Papiere, die belegten, dass die US-Regierungen Kennedy und Johnson 1961-68 den Vietnam-Krieg gezielt angezettelt und immer weiter eskaliert hatten. US-Präsident Richard Nixon befürchtete deshalb, dass die von ihm selbst vorgenommene Ausdehnung des Bombenkrieges auf Kambodscha ebenfalls aufgedeckt werden könnte. Um das zu verhindern, autorisierte er die CIA zu diversen illegalen Einbrüchen und Abhörmanövern.[36]

1971.07? Im Sommer 1971 wurde Horst Herold Präsident des Bundeskriminalamtes und begann mit der technischen Aufrüstung. Einziger Daseinszweck des BKA war der Kampf gegen die RAF. SZ 22.3.2001 (Stapel FR)

1971.08. Am 1. Aug. 1971 beschloß der Landtag von NRW die Gründung von Fachhoch­schulen. Erstmals 1956 hatte man in NRW einen drohenden Mangel an qualifizierten Ingenieuren festgestellt. Verantw. Minister war Johannes Rau. Rückblick nach 25 Jahren: ksta 28. 11. 1996 – Auch die Fachhochschule Bielefeld wurde gegründet, in die auch die dortige Werkkunstschule einging (als Fachbereich Design). NW 12.8.2005

1971.09 strahlte das ZDF zum ersten Mal das Magazin »Kennzeichen D« aus. Moderator Hanns Werner Schwarze (1924?-1991) fragte sich nach Ulbrichts Tod 1973 öffentlich, ob der Kommunist nicht der »erfolgreichste deutsche Politiker dieses Jahrhunderts« gewesen sei. Die UZ über Schwarze: »ein Aggressor auf Filzlatschen«. In der DDR erreichte er zeitweise höhere Einschaltquoten als Wim Thoelke. ksta 18.9.1996 – Eingestellt im März 2001: FR 14.3.2001 (Stapel)

1971.09. beschloss das Land Bremen, zwei der sechs Sitze des Verwaltungsrats von Radio Bremen für die Beschäftigten zu reservieren. Ähnliche Mitbestimmungsregelungen erfolgten 1973 beim Saarländischen Rundfunk, 1974 beim Sender Freies Berlin und 1980 beim Hessischen Rundfunk. ZA Gesch 1.8.2000 (Medien)

1971.09. Schlacht um besetztes Haus am Frank­furter Grüneburgweg. Beteiligt: Joschka Fischer, Hans-Joachim Klein. Danach bildete sich die militante »Putzgruppe«. ZA Fi 8.1.2001 (Spiegel)

1971.09? wurde auf Initiative Gustav Heinemanns und Carl-Friedrich v. Weizsäckers das Hamburger »Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik« gegründet. Bis 1984 wurde es von Wolf Graf Baudissin geleitet, dann bis 1994 von Egon Bahr, seitdem von Dieter S. Lutz. 1979 verkündete das Institut zum Entsetzen der NATO-Politiker, die These von der konventionellen Überlegenheit des Warschauer Paktes lasse sich nicht halten. 1984 stellte die Hamburger CDU ihre Mitarbeit im Kuratorium ein, aus Protest gegen die Berufung Bahrs. ksta 18. 9. 1996

1971.10. wurde das Karl-Marx-Monument in Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) eingeweiht. Wikip.

1971.11. wurde auf Anregung von Rosa von Praunheim und Martin Dannecker die Homosexuelle Aktion Westberlin (HAW) gegründet. SZ 21.11.2001

1971.12. strahlte die ARD Horst Sterns »Bemerkungen über den Rothirsch« (in der Serie »Sterns Stunde«) ausgerechnet am Heiligabend aus. Sterns bissige Kommentare über die Trophäenjagd und den enormen Verbissschaden an den Wäldern lösten eine gewaltige Empörungs­kampagne der westdeutschen Jagdlobby aus. Doch da die Forstfakultäten der Unis Freiburg, Göttingen und München sowie der bayerische Landwirtschaftsminister Hans Eisenmann Sterns Positionen unterstützten, konnte sich seine Serie bei der ARD halten. An den Jagdpraktiken änderte sich freilich nichts. – Wik.

1971.12. wurde Ernst Benda Präsident des Bundesverfassungsgerichts und löste Gebhard Müller ab.

1971.13. Der niedersächsische Schriftsteller, Ex-Faschist und APO-Aktivist Bernward Vesper beging 32jährig in Hamburg Selbstmord (15. 5.).

1972. brach anlässlich der Olympischen Spiele in München das Ensemble der »Münchner Lach- und Schießgesellschaft« auseinander. NW 12.12.2006

1972. entzog der nordrhein-westfälische Kultusminister Johannes Rau dem Künstler Joseph Beuys die Lehrerlaubnis. Heinrich Böll, Uwe Johnson, Gerhard Richter, Günther Uecker, Henry Moore, Peter Handke, Martin Walser u. a. protestierten.[37]

1972. erschien die vom Club of Rome in Auftrag gegebene Studie »Die Grenzen des Wachstums« von Dennis Meadows. Klaus Traube und viele andere Westdeutsche ließen sich von diesem Text zu Umweltschützern bekehren. ZA Gesch 1.4.2000 (BUND-Magazin)

1972. erschien Heiner Müllers Drama »Macbeth«. MGTL

1972. erschien Reinhard Meys LP »Mein achtel Lorbeerblatt«. Darin auch seine Anti-68er-Hymne »Bevor ich mit den Wölfen heule«. Im gleichen Jahr bekam er die »Goldene Europa« der Europawelle Saar. 1972? blies Mey zur »Heißen Schlacht am kalten Buffet«.

1972. erschien Richard Bachs Büchlein »Die Möwe Jonathan« bei Ullstein. Verleger Wolf Jobst Siedler hielt es zunächst für eine »Petitesse« und spottete: »ein ‹Kleiner Prinz› für Krankenschwestern«. Es wurde zum erfolgreichsten Buch seiner Verlegerkarriere. NW 17.1.2006

1972. führte Claus Peymann Thomas Bernhards Stück »Der Ignorant und der Wahnsinnige« bei den Salzburger Festspielen urauf.

1972. gründeten die früheren IBM-Mitarbeiter Hans-Werner Hector, Dietmar Hopp, Hasso Plattner, Klaus Tschira und Claus Wellenreuther in Weinheim die Firma SAP Systemanalyse und Programmentwicklung, aus der später der Walldorfer Softwarekonzern SAP hervorging. Sie entwickelten Programme, die die Lohnabrechnung und Buchhaltung von Unternehmen per Großrechner organisieren sollten, bei Eingabe der Daten am Bildschirm statt, wie vorher üblich, über Lochkarten. Sie bezeichneten ihre Software als Realtime-(Echtzeit)-System. Die erste Version der Software entstand im Rechenzentrum des ersten Kunden, dem Nylonfaserwerk der Imperial Chemical Industries (ICI). Sie war von Anfang an als Standardsoftware konzipiert und konnte auch weiteren Interessenten angeboten werden. – Wikip.

1972. gründeten die Rechtsanwälte Horst Mahler, Otto Schily und Christian Ströbele in West-Berlin das Sozialistische Anwaltskollektiv und übernahmen die Verteidigung von inhaftierten Terroristen der „Rote Armee Fraktion“ (RAF).[38]

1972. kam die Snackmarke »Bifi« auf den Markt.

1972. kam die Süßwarenmarke »Tic Tac« auf den Markt.

1972. kam Mary Roos mit »Nur die Liebe lässt uns leben« auf Platz 3 beim Grand Prix d’Eurovision. ZA Gesch. 11.5.2000 (D.Zt.)

1972. reaktivierte ## um 1830 gegründete die Malerschule im hessischen Willingshausen. NW 27.8.2005

1972. sollte der Gropiusbau in West-Berlin zugunsten einer Stadtautobahn abge­rissen werden. Nur mit Mühe konnten Denkmalschützer das verhindern. ksta 10. 9. 1997

1972. stieg Bertelsmann aus der Landwirtschaft wieder aus. Manager Manfred Köhnlechner, später bekannt als Heilpraktiker, hatte zeitweise für B. eine Hühnerfarm betrieben. Die SZ meldete am 22.1.: »Bertelsmanns Hühner sind spurlos verschwunden«. ZA 1.1.2000 (Medien)

1972. stoppte ein Volksbegehren in Bayern das von der CSU-Regierung beschlossene Rundfunkgesetz. ZA Gesch 1.8.2000 (Medien)

1972. verfilmte Wim Wenders Peter Handkes Drama »Die Angst des Tormanns beim Elfmeter«. Der Film wurde prägend für die Ära des »Neuen Deutschen Films«.

1972. veröffentlichte Carl Amery seinen Essay »Das Ende der Vorsehung – Die gnadenlosen Folgen des Christentums«. Er wurde vor allem in der Evangel. Kirche der DDR diskutiert und bewegte viele ev. Christen, sich für den Umweltschutz einzusetzen. ZA Gesch 1.4.2000 (BUND-Magazin)

1972. veröffentlichte die Schlager- und Chansonsängerin Katja Ebstein eine LP mit Liedern von Heinrich Heine. Dafür musste sie sich damals herbe Kritik von konservativer Seite gefallen lassen. (Wikipedia Heine)

1972. wies das Oberverwaltungsgericht Koblenz in 2. Instanz Klagen gegen die geplante Nahe-Überbauung in Idar-Oberstein zurück.[39]

1972. wurde das historische Schwarzwald-Hotel Löwen zu Triberg abgerissen (Baujahr 1827). (Tafel in Triberg, Stand 2014)

1972. wurde der 116 m hohe Frankfurter Universitätsturm erbaut. Im Februar 2014 wurde er gesprengt. NW 3.2.2014

1972. wurde die pfälzische Bluessängerin Joy Fleming (bgl. Erna Strube) mit dem Neckarbrücken-Blues bekannt, den sie in Mannheimer Dialekt vortrug. MTL Musik

1972. wurde Hubert Schrübbers, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, in den vorzeitigen Ruhestand geschickt, weil seine Nazivergangenheit bekannt geworden war. Im Zuge des sogenannten Radikalenerlasses, den Bundeskanzler Brandt mit den Minister­präsidenten der Länder vereinbart hatte, wurden 1,4 Millionen meist junge Bewerber für den öffentlichen Dienst auf ihre »Verfassungstreue« hin überprüft. Das Material besorgte der Verfassungsschutz, darunter Listen von Studenten, die für linke Gruppen bei Universitätswahlen kandidiert hatten. Konservative Professoren (u. a. vom »Bund Freiheit der Wissenschaft«) arbeiteten gerne zu. Eine Atmosphäre von Gesinnungs­schnüffelei und Einschüchterung breitete sich aus.[40]

1972. wurde in der DDR das Ministerium für Umweltschutz und Wasserwirtschaft eingerichtet.

1972. wurde in der Frankfurter Altstadt der Waschbetonkoloss des Technischen Rathauses gebaut. Dafür fielen ein Rokokohaus und die Reste zweier Renaissancehäuser. FAZ 12.1.2002

1972. wurde Martin Broszat Leiter des Münchener Instituts für Zeitgeschichte. Er lehnte die Dokumentationen Joseph Wulfs über den Holocaust ab: Man dürfe die Erforschung des Holocaust nicht Holocaust-Überlebenden überlassen, da sie nicht »objektiv« urteilen könnten. ZA 10.7.2003 (Zeit)

1972. zerstörten Stadtplaner den Franckeplatz in Halle (Saale) durch den Bau einer doppelten Hochstraße. Die Betsäule von Halle, die seit 1928 auf dem Platz stand, wurde in die Grünanlage des Universitätsrings versetzt. 2014 präsentierten Christoph Mäckler und Rolf-E. Breuer dieses abschreckende Beispiel in ihrer Ausstellung »Plätze in Deutschland 1950 und heute – eine Gegenüberstellung«.[41]

1972.? kommunale Neuordnung in Nordrhein-Westfalen. Die Zahl der Gemeinden wurde von 1400? auf 396 reduziert. In keinem anderen Bundesland gab es eine ähnlich brutale Neuordnung. Bayern hatte 1998 noch 2056, Baden-Württemberg 1111, Niedersachsen 1032, Rheinland-Pfalz sogar 2305 Gemeinden. Fischer-Weltalmanach 2001, 180.

1972.01 wurde das Kölner Eros-Center in der Hornstraße eröffnet. ksta 10. 1. 1997

1972.01. plädierte Heinrich Böll in dem Spiegel-Artikel »Will Ulrike Gnade oder freies Geleit?«, bezogen auf Ulrike Meinhof, für eine sachliche Berichterstattung über die Motive der Terroristen und verurteilte die Kampagnen der Bild-Zeitung gegen die so genannte Baader-Meinhof-Bande. Danach wurde Böll als Sympathisant der Terroristen diffamiert, die Polizei durchsuchte im Zuge einer Fahndung sein Landhaus in der Eifel, um in der Presse den Verdacht zu streuen, er biete flüchtigen Terroristen Unterschlupf. Böll reagierte, indem er einen Mitarbeiter beauftragte, Hetzartikel von Boulevardblättern zu sammeln, die Menschen in Wort und Bild verleumdeten. Sie bildeten das Material für seine Erzählung »Die verlorene Ehre der Katharina Blum«.[42] Bölls Freund Günter Wallraff setzte die Recherche fort und heuerte 1976 unter dem Pseudonym Hans Esser als Journalist der Bild-Zeitung an.

1972.01. strahlte die ARD zum ersten Mal «Die Sendung mit der Maus» aus.

1972.02. Die deutschsprachige Version der Rockoper »Jesus Christ Superstar« von Andrew Lloyd Webber und Tim Rice wurde am 18. Februar in Münster (Halle Münsterland) erstauf­geführt, mit Reiner Schöne in der Hauptrolle als Jesus.[43]

1972.02. wurde Angela Davis gegen eine Kaution aus amerikanischer Haft entlassen. Weltweite Solidaritätskampagnen. *1972.07.03

1972.02. wurde das US-amerikanische Erfolgs-Musical „Jesus Christ Superstar“ von Andrew Lloyd Webber (geb. 1948) erstmals in der Bundesrepublik aufgeführt, und zwar in Münster. Die Broadway-Inszenierung wurde zu einem überragenden Erfolg, den Kritiker mit dem anhaltenden Jesus-Boom und der Suche der jungen Generation nach Idolen erklärten.

1972.02. wurde die Freiheitskämpferin und Kommunistin Angela Davis 28jährig vorläufig aus usamischer Haft entlassen. Sie war 1970 als mutmaßliche Helferin eines bewaffneten Versuchs zur Gefangenenbefreiung inhaftiert worden. In der DDR lief 1971 die Kampagne »Eine Million Rosen für Angela Davis«. Der ostdeutsche ADN-Reporter Horst Schäfer beglückwünschte und interviewte sie zur Befreiung. Im Juni wurde Davis in allen Anklagepunkten freigesprochen. Im September überreichte Erich Honecker ihr persönlich eine Einladung zu den Weltfestspielen der Jugend. Wik.

1972.03. begrenzte Bundesverkehrsminister Georg Leber zunächst versuchsweise die Höchst­geschwindigkeit außerhalb von Ortschaften auf 100 km/h. Nur die Autobahnen blieben ausgespart. »Zwangsjacke«, hetzte das Hamburger Abendblatt. Der Spiegel packte Leber auf die Titelseite und giftete: »Mit Tempo 100 aufs Abstellgleis«. Auf Millionen Autos klebte ein Aufkleber: »Ich bin gegen Tempo 100.« Doch schon 1973 sank die Zahl der Verkehrstoten deutlich.[44] 

1972.04. gründete Udo Werner die »Talentprobe« in Köln. ksta 26. 4. 1997

1972.04. scheiterte der Misstrauensantrag im Bundestag gegen Bundeskanzler Willy Brandt. Rainer Barzel musste weiterhin die Oppositionsbank drücken.

1972.05. Am 17. Mai ratifizierte der Deutsche Bundestag den Moskauer und den Warschauer Vertrag. Am 3. Juni traten die Ostverträge in Kraft.

1972.05. Am 17. Mai verabschiedete der westdeutsche Bundestag nach heftiger Debatte die Ostverträge mit der UdSSR und mit Polen. Interview mit Egon Bahr, ksta 17. 5. 1997

1972.05. beauftragte die Bundesregierung Staatssekretär Egon Bahr, mit der DDR-Regierung einen Grundlagenvertrag auszuhandeln. RZ 30.5.2002

1972.05. brachte die Mannheimer Papierfabrik Waldhof-Aschaffenburg »Zewa Wisch & Weg« auf den Markt. Die Zeit 6. 6. 1997 (n. a.)

1972.05. Der erste Bombenanschlag der »Rote Armee Fraktion (RAF)« am 24. Mai auf das Hauptquartier der US-Armee in Heidelberg forderte drei Todesopfer. Im Juni wurden Andreas Baader, Holger Meins, Jan-Carl Raspe, Gudrun Enßlin und Ulrike Meinhof gefasst. ZA Fischer 8.1.2001 (Spiegel)

1972.06 (am Fronleichnamstag) wurde das Haus von Heinrich und Annemarie Böll in der Eifel von Polizisten mit Maschinenpistolen umstellt und durchsucht. Der Besuch des Münchener Philo­sophie-Dozenten Robert Spaemann hatte den Verdacht der Polizei erregt, Böll könne Mitglieder oder Sympathi­santen der Baader-Meinhof-Gruppe aufgenommen haben, vielleicht sogar die damals flüchtige Ulrike Meinhof. In einem »Spiegel«-Artikel hatte Böll zuvor »Freies Geleit für Ulrike Meinhof« gefordert. ZA 29. 4. 1998 (Zeit)

1972.06. begann die Watergate-Affäre: Im Washingtoner Watergate-Hotel wurden Wahlhelfer Nixons dabei ertappt, wie sie in die Wahlkampfzentrale der Demokraten einbrachen. Die Reporter Carl Bernstein und Robert Woodward deckten in der »Washington Post« auf, dass die Einbrecher auf direkte Anordnung von Nixons Stab gehandelt hatten. 1974 tauchte auch ein Tonband auf, das Nixons Mitwisserschaft belegte. Hintergrund: Der demokratische Kandidat George McGovern war ein Kritiker des Vietnamkrieges.[45] Gleichwohl gewann Nixon im November 1972 die Präsidentschaftwahl gegen McGovern.

1972.06. moderierte Hans-Joachim Wolfram erstmals die ostdeutsche Wissensshow »Außenseiter – Spitzenreiter«. Jede Folge endete mit der Aufforderung: »Blieben Sie schön neugierig!«

1972.06. startete das DDR-Fernsehen die Erklärungsserie »Außenseiter – Spitzenreiter«. Moderator Hans-Joachim Wolfram beantwortete dort Naturfragen wie »Wie viel PS hat eine Kuh« oder »Haben Fische Durst«. Die Folgen endeten stets mit dem Gruß: »Bleiben Sie schön neugierig!« Die beliebte Serie existierte 2015 immer noch im MDR. NW 2.1.2016

1972.06. verabschiedete der Bundestag ein Tierschutzgesetz. Es sah erstmals ein Tötungsverbot für Tiere und das Gebot vor, Tiere artgerecht zu halten. WDR5 ZeitZeichen 21.6.2022

1972.06. verabschiedete der Bundestag einstimmig ein Gesetzespaket zur inneren Sicherheit.

1972.06. wurde der westdeutsche Grundwehrdienst von 18 auf 15 Monate, der Zivildienst auf 16 Monate verkürzt.

1972.06.03. traten die Ostverträge (Deutsch-Sowjetischer und Deutsch-Polnischer Vertrag v. 1970) nach ihrer Ratifizierung im Bundestag in Kraft. MTL

1972.06.18. wurde West­­deutsch­­land in Brüssel mit einem 3:0 über die Sowjetunion Fußball-Europa­meister. ksta 28.1.2000

1972.07. eröffnete der Berliner Pädagoge Oskar Negt auf dem Frankfurter Opernplatz mit einer Rede zur Gewaltfrage einen Angela-Davis-Solidaritäts­kongress. Dabei analysierte er scharfsichtig und uner­bittlich den verhängnisvollen Irrweg der Baader-Meinhof-Terroristen. Zitiert in FR 24.1.2001 (Stapel)

1972.07. führte das ZDF das Fernsehspiel »Max Hoelz. Ein deutsches Lehrstück« (Regie: Rudolf Nussgruber) nach einem Drehbuch von Michael Mansfeld urauf. – Wik.

1972.07. präsentierte die Firma Big auf der Nürnberger Spielwarenmesse das erste Bobby-Car: rot und mit zwei fröhlichen Scheinwerferaugen. NW 13.7.2002

1972.07. wurden die Olympischen Spiele in München eröffnet.

1972.09. Am 5. September überfielen palästinensische Terroristen die israelische Olympia­mannschaft in München, erschossen zwei Sportler und nahmen acht als Geiseln. Bei der missglückten Befreiungsaktion auf dem Flugplatz Fürstenfeldbruck kamen die Täter und alle Geiseln ums Leben. ksta 4.9.1997

1972.09. überfielen acht palästinensische Terroristen das Olympische Dorf in München, drangen, von Sicherheitskräften nicht behindert, in den Pavillon der israelischen Mannschaft ein, erschossen zwei israelische Sportler, die sich ihnen in den Weg gestellt hatten, und nahmen die übrigen neun als Geiseln. Die Bundesregierung schlug unter Ägide von Bundesinnenminister Genscher ein Angebot der israelischen Regierung aus, eine im Anti-Terror-Kampf erfahrene Mossad-Einheit für den Einsatz nach München zu schicken. Als die Terroristen auf dem Flugplatz Fürstenfeldbruck mit den Geiseln einen Hubschrauber bestiegen, eröffnete eine unerfahrene bayerische Polizei­einheit das Feuer. Dabei kamen alle neun Geiseln, ein Polizist und fünf der acht Terroristen ums Leben. Nach Angaben von Angehörigen der israelischen Sportler beschwerte sich der Münchener Polizeipräsident Manfred Schreiber nach der Katastrophe öffentlich darüber, dass Israel den Terror auf deutschen Boden getragen habe.[46]

1972.10. begannen die Planungen für den Schnellen Brüter in Kalkar. NW 5.9.2009

1972.10. legte der hessische Sozialdemokrat und Kultusminister Ludwig von Friedeburg Rahmenrichtlinien für Gesellschaftslehre vor, die das sog. Konfliktmodell vertraten: Die Schülerinnen und Schüler sollten demokratisches Verhalten (»Selbst- und Mitbestimmung«)  anhand konkreter Konflikte lernen. Die von Alfred Dregger geführte CDU Hessen führte eine scharfe Kampagne gegen die »sozialistische Pädagogik«. Hartmut von Hentig verteidigte die Richtlinie. 1973 zog die hessische Landesregierung die Richtlinie schrittweise zurück. Wik.

1972.10. stand eine Verhandlungslösung für den Vietnam-Krieg unmittelbar bevor. Sie scheiterte an Nguyen Van Thieu und an Nixon, der für seine Wiederwahl im November einen für die USA »ehrenhaften« Frieden brauchte. Im Dezember ließ er Hanoi großflächig bombardieren, doch die Vietnamesen konnten 34 B-52-Bomber sowie zahlreiche neue Schwenkflügel-Kampfflugzeuge abschießen. Im Januar 1973 gingen die Verhandlungen in Paris auf dem alten Stand weiter.[47]

1972.11. Bundestagswahl am 19. November: Die SPD mit Bundeskanzler Brandt wurde zum ersten Mal in ihrer Geschichte stärkste Partei in Westdeutschland. Im Umfeld der Bundestagswahl verzeichnete die SPD auch eine gewaltige Welle von Parteieintritten.

1972.11. Das Logo des deutschen Umweltzeichens (»Blauer Engel«) wurde 1972 (?) vom Zeichen der UNEP übernommen. Es zeigt eine weibliche Gestalt mit ausgebreiteten Armen. „Das Symbol – der Mensch in einer angestrebten daseinswürdigen Umwelt – erscheint besonders geeignet, die Hauptaufgabe der Umweltpolitik, nämlich die Erhaltung und Gestaltung einer menschenwürdigen Umwelt aufzuzeigen“, heißt es in einer offiziellen Mitteilung des Bundesinnenministers Genscher vom 10.11.1972. Zudem wurde das durch die UNEP eingeführte Symbol als „ohne Zusätze allgemein national und international verständlich“ angesehen. Die im Rahmen eines Design-Wettbewerbs für ein deutsches Umweltzeichen im gleichen Jahr prämiierten Entwürfe wurden nicht berücksichtigt. — Der Blaue Engel war die erste umweltschutzbezogene Kennzeichnung der Welt für Produkte und Dienstleistungen. Sie wurde 1977 auf Initiative des Bundesministers des Inneren und durch den Beschluss der Umweltminister des Bundes und der Länder ins Leben gerufen. www.blauer-engel.de, Juni 2003; lokal

1972.11. erhielt Heinrich Böll den Nobelpreis für Literatur.

1972.11. richtete ein Orkan in den Wäldern Niedersachsens erhebliche Schäden an.[48]

1972.11. wurde die 29jährige linke Sozialdemokratin und Juristin Herta Däubler-Gmelin in den Bundestag gewählt. Die Kanalarbeiter in der SPD-Fraktion feindeten sie an. Rückblicke, SZ 23.9.2009

1972.13. Der westfälische Unternehmer und Kriegsverbrecher Friedrich Flick starb 89jährig in Konstanz (20. 7.). Der thüringische Schriftsteller Ernst Kreuder starb 70jährig in #.

1972k Der Bildhauer Hans Wimmer schuf auf der Festung Ehrenbreitstein in Koblenz das »Ehrenmal des Deutschen Heeres« für die toten Soldaten der beiden Weltkriege, eine Art Grabmal des Unbekannten Soldaten. Es sollte ursprünglich in Bonn gebaut werden, doch die Bundeswehr entschied dann, es an abgelegener Stelle in Koblenz zu verstecken, um Schändungen zu vermeiden. Man tritt in einem offenen Gewölbe an der Festungsmauer zwei Stufen hinab, und auf einem Sarg liegt ein junger unversehrter Soldat aus Bronze. Über ihm an der Wand hängt ein bronzener Kranz.[49]

1973. Angela Kasner (spätere Merkel) konnte nach ihrem Einser-Abitur 1973 in Templin, mit einer überdurchschnittlichen Begabung in Mathematik und Sprachen, von 1973 bis 1978 Physik an der Universität Leipzig studieren mit dem Abschluss als Diplom-Physikerin – als Tochter eines ev. Pfarrers, die die Jugendweihe abgelehnt hatte. Wikipedia 2005

1973. begann in West-Berlin der Bau des Internationalen Congress-Centrums nach Plänen von Ralf Schüler und Ursulina Schüler-Witte.[50]

1973. begannen die Historiker Heinrich Beck u. a. an der Göttinger Akademie der Wissenschaften mit der Herausgabe der 2. Auflage des Reallexikons der Germanischen Altertumskunde. Einen ersten Ansatz gab es schon 1968. Der 35. und letzte Band erschien 2007. – Wikip.

1973. bezog Martin Huthmann, Pfarrer der Katholischen Studentengemeinde Bonn, das ehemalige Gefängnis und Obdachlosenasyl in der Viktoriastraße. Mit engagierten Studentinnen und Studenten setzte er das verkommene Haus wieder instand. 1982 wurde daraus das Oscar-Romero-Haus.[51]

1973. endete der Arbeitskampf in der Metallindustrie mit einer Lohnerhöhung von 8,5%. Schleyer gewährte bei Daimler-Benz 11%, den besten Arbeitern 16%.[52]

1973. erschien in Köln die fünfte Single der Bläck Fööss mit den Titeln »Mer losse der Dom… / In unserem Veedel« (Text u. Musik v. Hartmut Priess). 1974 erschien die erste LP »Op bläcke Fööss noh Kölle«, mit diesem Lied als vorletztem, gleich vor Ostermanns Hymne »Heimweh nach Köln«. Die Bläck Fööss und ihr Publikum schafften es tatsächlich, den geplanten Abriss von Ehrenfeld zu verhindern (*1969. beschlossen).

1973. führte Claus Peymann Botho Strauß‘ Stück »Die Hypochonder« in Frankfurt urauf.

1973. gelang Udo Lindenberg mit der Single »Alles klar auf der Andrea Doria« der internationale Durchbruch. Briefmarke Deutsche Post 2010

1973. gestaltete der Kabarettist Dieter Hildebrandt im ZDF das Satiremagazin »Notizen aus der Provinz« (bis 1979).

1973. gewann Borussia Mönchengladbach mit ihrem Star Günter Netzer den DFB-Pokal mit einem 2:1 über den 1. FC Köln in der Verlängerung. Das Spiel gilt als eines der schönsten der deutschen Fußballgeschichte. ksta 27.1.2000

1973. gründete der sächsische Pazifist Georg Meusel mit anderen die Königswalder Friedensseminare, in denen kritisch über den ostdeutschen Militarismus gesprochen wurde. Die Zeit 25.4.2002

1973. konstruierte Mauricio Kagel in Köln ein »Zwei-Mann-Orchester«. mgtl

1973. reduzierte der Bundestag das Schutzalter für legale homosexuelle Beziehungen von 21 auf 18 Jahre.

1973. restaurierten die Ostdeutschen das erste Fachwerkhaus von Wernigerode vollständig – ein kleines Handwerkerhaus in der Breiten Straße. Tafel am Ort, 2001

1973. schrieb Udo Lindenberg nach einem Besuch in Ost-Berlin das Lied »Mädchen aus Ostberlin« (»Stell’ dir vor, du kommst nach Ostberlin«).

1973. strahlte die ARD die erste Folge von Michael Pfleghars Unterhaltungsshow »Klimbim« aus – mit dem Sex-Idol Ingrid Steeger. Sie gilt als erste deutsche Comedy-Show. 1975 bekam Pfleghar dafür den Adolf-Grimme-Preis. NW 31.3.2007

1973. trat der niedersächsische Schlagersänger Bernd Clüver mit dem Lied »Der Junge mit der Mundharmonika« in Dieter Hecks Hitparade auf.

1973. veröffentlichte der Lübecker Umweltschützer Holger Strohm die Dokumentation »Friedlich in die Katastrophe« über die westdeutschen Atomkraftwerke.

1973. wechselte der Soziologe Helmut Schelsky mit seinem gesamten Lehrstuhl von der Universität Bielefeld an die juristische Fakultät der Universität Münster.

1973. wünschte Reinhard Mey auf über 1 Million Platten »Gute Nacht, Freunde« und machte seine Privatpilotenlizenz: »Über den Wolken…«

1973. wurde der DEFA-Spielfilm »Die Legende von Paul und Paula« mit Winfried Glatzeder und Angelica Domröse in den Hauptrollen ein großer Erfolg in der DDR..[53] Das Drehbuch schrieb Ulrich Plenzdorf.

1973. wurde der DEFA-Spielfilm »Die Legende von Paul und Paula« mit Winfried Glatzeder und Angelica Domröse in den Hauptrollen ein großer Erfolg in der DDR..[54]

1973. wurde der Opel Kadett B durch den Kadett C abgelöst. SZ 17.8.2002

1973. wurde der Physiker und RWE-Manager Heinrich Mandel Präsident des Deutschen Atomforums und rückte damit in die Rolle des westdeutschen Atompapstes auf. Wp

1973. wurde Hanns Martin Schleyer Präsident der Bundesvereinigung der Dt. Arbeitgeberverbände. 1974 war der »Stern«-Reporter Kai Hermann bei ihm zu Hause und schrieb dann eine Geschichte über den »eiskalten Tarifunterhändler«, der »die Unternehmerfront kommandiert«. SZ 14.8.2003 (Fernsehporträt v. L. Hachmeister)

1973. wurde Schleyer als Nachfolger von Otto A. Friedrich Präsident der BDA (Arbeitgeberverbände), bezog weiterhin sein Gehalt als Daimler-Vorstand. 1974 unterstützte er zunächst Strauß, später das Duo Kohl-Biedenkopf. Bernt Engelmann schrieb auf Basis von DDR-Material den dokumentarischen Roman »Großes Bundesverdienstkreuz«, in dem Schleyer eine Hauptrolle spielt. Biedenkopf später: »Das Buch hat die Stasi geschrieben.« Engelmanns Partner Günter Wallraff verwies auf Schleyers Tätigkeit als Konsul der brasilianischen Militärdiktatur.[55]

1973.? landete die Düsseldorfer Elektronik-Popgruppe »Kraftwerk« die Hits »Auto­bahn« und »Radioaktivität« – erste Vorboten der Tekkno-Musik der 90er Jahre. 1999 wählten die Leser der britischen Popkulturzeitschrift Q »Kraftwerk«-Gründer Ralf Hütter unter die 100 Größten des Popmusik-Jahrhunderts. ksta 29.7.1999

1973.01. strahlte die ARD die erste Folge der aus den USA stammenden Kinderpuppenserie »Sesamstraße« aus – mit Ernie, Bert, Kermit, dem Krümelmonster, Bibo und Grobi. Die Serie wurde in die deutsche Kultur eingegliedert und sollte Vorschulkinder zum Lernen animieren. ZA Medien 4.1.2003 (NW)

1973.01. trat die kommunale Neuordnung in NRW in Kraft. Aachen schluckte sieben Gemeinden; Bergisch Gladbach schluckte die Stadt Bensberg; Bielefeld schluckte die Städte Brackwede und Sennestadt sowie weitere 21# Gemeinden; Herne schluckte die Stadt Wanne-Eickel; Köln schluckte die Stadt Porz und zwei# weitere Gemeinden, vorübergehend auch die Stadt Wesseling. Es verschwanden zahlreiche Kreise (z. B. Geilenkirchen, Erkelenz, Jülich, Monschau, Schleiden) und der Regierungsbezirk Aachen. NW 31.12.2002

1973.01. wurde der Zivildienst von 18 auf 16 Monate verkürzt und dauerte nur noch 1 Monat länger als der Wehrdienst.

1973.02. – Großbritannien und Frankreich nahmen diplomatische Beziehungen zur DDR auf und erkannten damit den zweiten deutschen Staat an.

1973.03. Straßenschlacht in Frankfurt um das besetzte Haus am Kettenhofweg. Joschka Fischer, Hans-Joachim Klein u.a. verprügelten einen Polizisten, der FAZ-Reporter Lutz Kleinhans hielt die Szene fest. Fischer wurde zu einer Führungsfigur der Gruppe »Revolutionärer Kampf«. ZA Fischer 8.1.2001 (Spiegel)

1973.07. fanden die 10. Weltfestspiele der Jugend und Studenten mit rd. 26.000 offiziellen Gästen in Berlin/DDR statt. Dazu kamen rd. 8 Millionen Besucher. Auf 95 Bühnen gab es Beat- und Rockmusik und Lieder von Singeklubs. Man sprach von einem »Woodstock des Ostens«. Der Ost-Berliner Magistrat nannte bei dieser Gelegenheit das Walter-Ulbricht-Stadion in »Stadion der Weltjugend« um. Die Umbenennung erstreckte sich sogar auf einen der Geisterbahnhöfe der West-Berliner U-Bahn. Wikip.

1973.07. Im Juli gab die Landesregierung von Baden-Württemberg den geplanten Atomkraftwerk-Standort Breisach wegen Bürgerprotesten auf und verkündete, das Kraftwerk solle in Wyhl am Kaiserstuhl gebaut werden. Der neue Standort war vom alten nur einige Kilometer entfernt. Es waren zwei Reaktoren mit einer Bruttoleistung von 1375 MW und Nettoleistung von 1300 MW sowie zwei etwa 160 m hohe Naturzug-Nasskühltürme geplant. – Wikip.

1973.07. kündigte die Landesregierung von Baden-Württemberg den Bau mehrerer Atomkraftwerke in Wyhl am Kaiserstuhl an. Schon im September rollten 500 Bauern mit ihren Traktoren zum Protest durch den Kaiserstuhl. Sie prägten die Parole »Lieber heute aktiv als morgen radioaktiv«. Auch fürchteten sie, dass die Dampfwolken das Kaiserstühler Weinklima stören würden. Im gleichen Jahr veröffentlichte Holger Strohm das Mammutwerk »Friedlich in die Katastrophe«. Es entwickelte sich bald zum Bestseller der Atompolitik. Strohm pflegte bei Diskussionen einen Teelöffel aus der Brusttasche zu ziehen und zu sagen: »So viel Plutonium reicht aus, um halb Europa umzubringen.« Die Zeit 31.3.2011

1973.08. diagnostizierte das »Kursbuch« »Folter in der BRD« und einen »strukturellen Staatsfaschismus«.[56]

1973.09. Der explodierende Ölpreis (von 3 auf 12 $ pro Barrel) machte die Endlichkeit fossiler Rohstoffe spürbar. Die Industrieländer rationierten Benzinverkäufe. Die Regierung Brandt reagierte mit Sonntagsfahrverboten und Tempolimits: 80 km/h auf Landstraßen, 100 auf der Autobahn. Brandt wollte ein Signal setzen und »den Menschen zeigen, dass wir anders leben müssen« (so Gerhart Baum (FDP), damals Staatssekretär im Innenministerium).[57]

1973.09. Pinochets Putsch in Chile gegen den sozialistischen Staatspräsidenten Salvador Allende. 25. Jahrestag, ZA 11.9.1998 (SZ)

1973.10. Ölkrise: Die OPEC beschloss eine Preiserhöhung für Erdöl um 70%, um die Verluste durch die seit 1964 anhaltende Dollar-Inflation auszugleichen. Die US-Regierung hatte ihren Vietnamkrieg durch eine Dollar-Inflation finanziert. WDR 3, ZeitZeichen 9.9.2005

1973.10. Ölkrise: Die OPEC beschloss eine Preiserhöhung für Erdöl um 70%, um die Verluste durch die seit 1964 anhaltende Dollar-Inflation auszugleichen. Die US-Regierung hatte ihren Vietnamkrieg durch eine Dollar-Inflation finanziert. WDR 3, ZeitZeichen 9.9.2005

1973.11. autofreie Sonntage in der Ölkrise im Gefolge des Yom-Kippur-Kriegs

1973.11. legte Erich Honecker den Grundstein zum Palast der Republik in Ost-Berlin. ZA 19.4.2001 (Die Zeit)

1973.11. Militärputsch in Chile am 11. September. FR-Magazin zum 30. Jahrestag, FR 30.8.2003

1973.11. stoppte die Bundesregierung wegen der Wirtschaftskrise die Anwerbung ausländischer Arbeiter. »Der Spiegel« erschien mit dem Titelblatt: »Gettos in Deutschland: Eine Million Türken« (Ausgabe 31/1973).

1973.12. sang Bundesaußenminister Walter Scheel in einer Folge der ZDF-Quizserie »Drei mal Neun« das Lied »Hoch auf dem gelben Wagen« von Rudolf Baumbach und Heinz Höhne. Die Plattenversion hielt sich 15 Wochen lang in den westdeutschen Charts. – Wik.

1973.13. Die schlesisch-westfälische Juristin, Sozialdemokratin und Feministin Theanolte Bähnisch starb 74jährig in Hannover (9. 7.). Die Magdeburger Schriftstellerin Brigitte Reimann starb 39jährig in Berlin/DDR an Krebs (20. 2.).

1973k Gerhard Zwerenz veröffentlichte den Roman »Die Erde ist unbewohnbar wie der Mond«, der die Immobilienspekulation um das Frankfurter Westend thematisierte. Seine Figur eines jüdischen Spekulanten karikierte den Unternehmer Ignatz Bubis und bediente antisemitische Klischees, was Zwerenz allerdings bestritt. Sein Freund Rainer Werner Fassbinder verarbeitete den Romanstoff 1975 zu einem Theaterstück mit dem Titel »Der Müll, die Stadt und der Tod«.[58]

1974. adelte Udo Jürgens »Griechischen Wein« zum »Blut der Erde«.

1974. bildete der TuS Wörrstadt die erste deutsche Frauen-Fußballmannschaft. ksta 27.1.2000

1974. erhöhte das Münchener Versorgungsamt die Rente der Witwe des Nazi-Mörders Roland Freisler um monatlich 400 DM als »Schadensausgleich« dafür, dass Freisler nach dem Krieg wohl »als Rechtsanwalt oder Beamter des höheren Dienstes tätig geworden wäre«. Das bayerische Arbeitsministerium bestätigte die Entscheidung. ZA Freisler 3.2.2005 (Zeit)

1974. erschien postum Brigitte Reimanns Roman »Franziska Linkerhand« in Ost- und Westdeutschland.

1974. feierte die DDR den 200. Geburtstag des Malers Caspar David Friedrich mit mehreren Sondermarken. abgeb. in ZA Gesch. 1.7.2003

1974. löste die Aufstellung einiger Nanas von Niki de Saint-Phalle in Hannover einen Kulturkampf aus. Die HAZ veröffentlichte 235 Leserbriefe zum Thema, eine Bürgerinitiative »Weg mit den Nanas« warb für Notarztwagen und Kinderspielplätze, die »Freunde der Nanas« veranstalteten Happenings und sammelten 15.000 Unterschriften. taz 13.5.2000 (n.a.; nach Angaben von Stattreisen H.)

1974. musste das NDR-Magazin »Panorama« auf Druck der ARD-Programmchefs einen Bericht von Alice Schwarzer über Abtreibungsmethoden aus der Sendung nehmen. Aus Protest boykottierte Moderator Peter Merseburger die Sendung, die daher ohne Moderation übertragen wurde.[59]

1974. porträtierte Kai Hermann für den »Stern« Hanns Martin Schleyer, den »Boss der Bosse«, und seine Familie. Hermann erzählt: »Die Kinder artig um den Tisch…, die Mutter spielte Chopin, die Kinder nickten artig, wenn der Vater etwas sagte… Ich war überrascht über die Ehrlichkeit… und beeindruckt von diesem Selbstbewusstsein, das mir da begegnet ist…« Ob 1945 nichts bei ihm passiert sei? »„Ja, was denn?“Er trank einen Schluck Whisky, fuhr fort: „Ich wusste doch. Ich war doch auf einer Stelle, wo wir von allem wussten. Wir wussten doch sogar, dass wir den Krieg verlieren.“« Schleyer hatte ein Regal voller Israel-Bücher. »Er bewunderte Israel wegen seiner militärischen Stärke, hatte Kontakt zu rechten Israelis – das war für ihn kein Bruch.«[60]

1974. problematisierte Heiner Müller in dem Drama »Zement« erstmals das Verhältnis von Staat und Revolution. 1975 folgte »Die Schlacht«. MGTL

1974. regte Franz-Josef Schneider, Pressesprecher der Gruppe 47, den Stadtschreiberpreis von Bergen-Enkheim an. SZ 1.8.2003

1974. sang Nina Hagen im schwarzen Kleid und mit buntem Hut den Schlager »Du hast den Farbfilm vergessen« mit den Refrainzeilen: »Du hast den Farbfilm vergessen, / bei meiner Seel‘! / Alles blau und weiß und grün und später nicht mehr wahr…«. Youtube 2011

1974. schaffte der westdeutsche Bundestag die Strafbarkeit der Landstreicherei ab. [61]

1974. spielte das Kölner Politkabarett »Floh de Cologne« die Rock-Oper »Geyer-Symphonie« ein. MTL Musik

1974. übersiedelte Uwe Johnson nach Großbritannien. MGTL

1974. verbreitete die Esso AG über Fernsehen und Anzeigen den Werbeslogan »Es gibt viel zu tun. Packen wir’s an!«. Er wurde schnell sprichwörtlich und vielfach parodiert: »Es gibt viel zu tun. Fangt schon mal an!« – »Es gibt viel zu tun. Lassen wir’s liegen!« ZeitL 20

1974. veröffentlichte Heinrich Böll die Erzählung »Die verlorene Ehre der Katharina Blum« mit einer Startauflage von 100.000 Exemplaren. Untertitel: »Wie Gewalt entstehen und wohin sie führen kann«. »Der Spiegel« druckte Bölls erfolgreichstes Werk in mehreren Folgen ab. Der Springer-Verlag ließ in seinen Zeitungen so lange keine Bestsellerlisten mehr veröffentlichen, wie Bölls Erzählung an deren Spitze stand. Viele Konservative, darunter der spätere Bundespräsident Karl Carstens, deuteten Bölls Erzählung öffentlich als Rechtfertigung von terroristischer Gewalt. Erst später entdeckten Literaturwissenschaftler literarische Vorbilder wie Friedrich Schillers Erzählung »Verbrecher aus verlorener Ehre« (1787) und die Parallelen zu Heinrich von Kleists Erzählung »Michael Kohlhaas« (1810).[62]

1974. veröffentlichte Irmtraud Morgner den Roman »Leben und Abenteuer der Trobadora Beatriz nach Zeugnissen ihrer Spielfrau Laura«.

1974. wurde Claus Peymann Schauspieldirektor am Württembergischen Staatstheater Stuttgart.

1974. wurde der Altnazi Werner Pfromm unter mysteriösen Umständen von Justizminister Josef Neuberger (Emigrant) und Staatssekretär Ulrich Klug zum Kölner Generalstaatsanwalt ernannt. P. entzog dem Staatsanwalt Rolf Holtfort 1980 zehn Ermitt­lungsverfahren gegen frühere Kriegsverbrecher in Frankreich und betrieb Holtforts Versetzung in die Jugendabteilung 1986. ZA 2. 9. 1998 (ksta)

1974. wurde der Deutsche Kulturbund in »Kulturbund der DDR« umbenannt. Wikip.

1974. wurde der Rechtsanwalt Hans-Christian Ströbele wegen seines Einsatzes für Mandanten, die der RAF angehörten, aus der SPD ausgeschlossen. ZA Fischer 5.1.2001 (FR)

1974. wurde der Sozialist E# Fechner als Oberbürgermeister von Ost-Berlin von E# Krack abgelöst. MGTL

1974. wurde die kommunale Neuordnung in NRW abgeschlossen. www.bi-info.de

1974. wurde Egon Krenz 1. Sekretär der FDJ.

1974. wurde Mauricio Kagel Professor an der Kölner Musikhochschule. mgtl

1974. wurde Wolf Schneider als Chefredakteur der »Welt« abgelöst, weil er in einem Kommentar den chilenischen Diktator Pinochet kritisiert hatte. ZA Pers. 6.5.2000 (NW)

1974. wurden in West­deutsch­land eingeführt: das Cerankochfeld, die zweiriemige Birkenstock-Sandale, Ikea, das Playmobil-Männchen, der kastenförmige Standardlinienbus. Das Playmobil-Männchen war aus der Not geboren: Plastik war durch die Ölkrise viel teurer geworden, und die Leichtbauweise der Männchen sparte Plastik. ZA Gesch. 4.3.2004 (Zeit)

1974.01. änderte die DDR ihr Nationalitätenkennzeichen von »D« in »DDR«.

1974.01. stoppten Bielefelder Bürgerinitiativen den geplanten Abriss der alten Ravensberger Spinnerei und das geplante Zubetonieren von Ravensberger Park und Wiesenbad. NW 16.1.2009; Ergänzungen von Regine Schürer (pro grün)

1974.02 – Der sowjetische Schriftsteller Alexander Solschenizyn wurde einen Tag nach seiner Verhaftung wegen «Verrats an der Heimat» ausgebürgert und in die Bundesrepublik verbannt. Heinrich Böll nahm ihn in seinem Eifelhaus aus.

1974.02. – In München wurde der Jurist Rolf Pohle als Mitglied der Baader-Meinhof-Gruppe zu einer Freiheits­strafe von sechs Jahren und fünf Monaten verurteilt.

1974.02. starb die Dramatikerin Marieluise Fleißer 72jährig in ihrem Geburtsort Ingolstadt. Sie war die künstlerische Mutter von Rainer Werner Faßbinder, Franz Xaver Kroetz und Alfred Sperr. Oss. 24, 1.12.2001, 845; Tsp. 23.11.2001

1974.02. starteten ADAC und Bild-Zeitung bei wieder sinkenden Ölpreisen die Kampagne »Freie Bürger fordern freie Fahrt«. Die Bundesregierung Brandt wollte das Tempolimit auf Autobahnen dauerhaft installieren, zumal die Unfall- und Todeszahlen stark gesunken waren. Verkehrs­minister Lauritz Lauritzen (SPD) legte einen Gesetzentwurf für Tempo 130 vor. Gleichzeitig forderte er bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein den Ministerpräsidenten Gerhard Stoltenberg (CDU) heraus. Stoltenberg diffamierte das Tempolimit als sozialistische Gleich­macherei und bürokratische Vollbremsung, »Bild« nannte Lauritzen nur noch »Lau-Lau«, er verlor die Landtagswahl. Am Ende fehlte ihm im Bundesrat eine einzige Stimme, da die unions­regierten Länder geschlossen gegen das Limit votierten. Auf westdeutschen Autobahnen galt fortan die freiwillige »Richtgeschwindigkeit« 130 km/h. Sie blieben damit eine der letzten freien Rennstrecken der Welt.[63]

1974.02. Straßenschlacht in Frankfurt um den seit 1971 besetzten Häuserblock Ecke Schumannstraße/ Bockenheimer Landstraße. Die Polizei räumte den Block, aber zwei Polizisten wurden von Demonstranten entwaffnet. ZA Fischer 8.1.2001 (Spiegel)

1974.02. streikten die Arbeiter des öffentlichen Dienstes in West­deutsch­land für eine Lohn­­erhöhung um 15%. Zur Strafe wurde der ÖTV-Vorsitzende Heinz Kluncker später als der Mann verteufelt, der Bundeskanzler Brandt gestürzt habe.

1974.02. wurden auf der Nürnberger Spielwarenmesse erstmals Playmobil-Männchen vorgestellt – erfunden von Hans Beck für die Firma Georg Brandstetter in Zirndorf bei Nürnberg. Bis 1999 wurden rd. 1,4 Milliarden der 7,5 cm großen Männchen und Frauchen verkauft. ZA 3.2.1999 (ksta)

1974.03. – Bonn und Ost-Berlin vereinbarten die Einrichtung Ständiger Vertretungen.

1974.03. unterzeichneten die sieben Anrainerstaaten der Ostsee, darunter BRD und DDR, in Helsinki ein Abkommen zum Schutz der Ostsee.

1974.03. wurde in der BRD beschlossen, die Volljährigkeit von 21 auf 18 herabzusetzen.

1974.03. wurde in West­deutsch­land Tempo 100 auf Landstraßen eingeführt. Als Verkehrsminister Lauritz Lauritzen (SPD) versuchte, Tempo 100 auch auf Autobahnen einzuführen, erzwangen ADAC und Bild-Zeitung in einer gemeinsamen Hetzkampagne seinen Rücktritt. Sie nannten ihn dabei stets »Lau-Lau«.

1974.04. – Der persönliche Referent von Bundeskanzler Willy Brandt, Günter Guillaume, wurde unter dem Verdacht der Spionage für die DDR festgenommen.

1974.04. beschloss der Bundestag einen neuen § 218 StGB (Schwangerschaftsabbruch mit Fristenlösung).

1974.04. erklang im portugiesischen Rundfunk das Freiheitslied »Grândola vila morena«. Es signalisierte, dass die Nelkenrevolution gegen die Salazar-Diktatur (bzw. den Diktator Caetano) begonnen hatte. Zeitläufte 15.4.2004

1974.04. Tarifkampf im öffentlichen Dienst. Die Gewekrschaft ÖTV verlangte 15 % mehr Lohn, Bundeskanzler Brandt legte sich öffentlich auf maximal 10 % fest. Nach drei Streiktagen wurde ein Kompromiss in der Nähe von 12 % gefunden, den die Medien als Niederlage Brandts deuteten.[64]

1974.04. trat das Bundes-Immissionsschutzgesetz in Kraft.

1974.05 trat Bundeskanzler Willy Brandt im Zuge der Guillaume-Affäre zurück. Helmut Schmidt wurde zu seinem Nachfolger gewählt.

1974.06. brach das Kölner Bankhaus Herstatt zusammen. Es wurde vom Bundesaufsichtsamt für Kreditwesen geschlossen, nachdem es sich mit Devisentermingeschäften überschuldet hatte.[65]

1974.07. beschlossen Bundestag und Bundesrat eine Einkommensteuerreform, in deren Zug u.a. der Freibetrag auf 3000 bzw. 6000 DM und der Spitzensteuersatz auf 56 % angehoben wurde. Der Kinderfreibetrag und die Kinderzuschläge im öffentlichen Dienst wurden zugunsten eines einkommensunabhängigen Kindergeldes abgeschafft. Die Änderungen traten zum 1. Januar 1975 in Kraft.[66]

1974.07. lief in Wolfsburg der letzte VW Käfer vom Band. Drei Sondermodelle: »Jeans«, »Cliffgrün« und »Signalorange«. Georg Otto: Tuning Luftgekühlte Volkswagen. Bielefeld 2003, S. 10

1974.07.07. wurde Gastgeber West­­deutsch­­land mit einem 2:1 über die Niederlande in München Fußball-Weltmeister. Trainer: Helmut Schön; Kapitän: Franz Beckenbauer; Mittelstürmer: Gerd Müller. ksta 28.1.2000

1974.08. klagte der jüdische Historiker und Holocaust-Überlebende Joseph Wulf einem Freund: »Ich habe hier 18 Bücher über das Dritte Reich veröffentlicht, und alles hatte keine Wirkung. Du kannst dich bei den Deutschen totdokumentieren, es kann in Bonn die demokratischste Regierung sein – und die Massenmörder gehen frei herum, haben ihr Häuschen und züchten Blumen.« Im Oktober beging Wulf Selbstmord. SZ 10.7.2003 (Zeit)

1974.08. trat US-Präsident Richard Nixon wegen der Watergate-Affäre zurück. Vizepräsident Gerald Ford wurde sein Nachfolger.

1974.10. startete die ZDF-Krimiserie »Derrick« mit Horst Tappert als Inspektor Derrick; entwickelt von Herbert Reinecker (Drehbuch) und Helmut Ringelmann (Produzent).

1974.11. Am 9. November starb der Terrorist Holger Meins 33jährig nach wochenlangem Hungerstreik in der Justizvollzugsanstalt Wittlich.  – Wikip.

1974.11. beschloss der Bundestag im 3. Verstromungsgesetz, dass bis 1990 jährlich im Schnitt 33 Mio. t deutsche Steinkohle verstromt werden sollen. Um das zu finanzieren, wurde eine Ausgleichsabgabe der Stromverbraucher, der sog. Kohlepfennig, eingeführt (3,24 % des Durchschnitts der Stromerlöse an Letztverbraucher).[67] Jeder Stromkunde subventionierte auf diese Weise den westdeutschen Steinkohlebergbau, der sonst auf dem Weltmarkt nicht konkurrenz­fähig gewesen wäre.

1974.11. starb Holger Meins in der Haft nach einem wochenlangen Hungerstreik. ZA Fischer 8.1.2001 (Spiegel)

1974.12. kam Udo Jürgens mit dem Lied »Griechischer Wein« auf Platz 1 der deutschen Charts (für 38 Wochen), im Januar auch auf Platz 1 der Schweizer Charts (21 Wochen), im März auf Platz 2 der österreichischen Charts (54 Wochen). Jürgens komponierte die Musik 1972 während eines Urlaubs auf Rhodos. Michael Kunze hatte die Idee, die Geschichte im Ruhrgebiet anzusiedeln, und schrieb den Text. Wik.

1974.13. Der Berliner Pädagoge Kurt Hahn starb 88jährig in Salem (14. 12.).

1974.13. Der Hamburger Terrorist Holger Meins starb 33jährig in der Justizvollzugsanstalt Wittlich an den Folgen eines Hungerstreiks (9. 11.).

1974.13. Deutscher Friedhof 1974: Die bayerische Dramatikerin Marieluise Fleißer starb 72jährig in ihrem Geburtsort Ingolstadt (2. 2.). Der # linksradikale Terrorist Holger Meins starb #jährig an den Folgen seines Hungerstreiks in # (#. 11.). Der # Faschist und Massenmörder Baldur von Schirach starb 67jährig in Kröv (8. 8.). Der sächsische Unternehmer und Historiker Joseph Wulf beging 62jährig in # Selbstmord (10. 10.).

1974k Die Musiker Helmut Flohr alias Joe Raphael, Georg (Schorsch) Manning und Horst Götze alias Horsti Stinkstiefel gründeten das Partylieder-Trio »Die 3 Besoffskis«. Bekannt wurden sie mit den obszönen Schlagern »Scheißegal« und »Puff von Barcelona« (1975, auf die Melodie »Funiculì, Funiculà«), die vor allem über Jukeboxen Verbreitung fanden, da sie nicht im Radio liefen. Flohr hatte sich von Tony Marshalls Schlager-Erfolg »Schöne Maid« anregen lassen. Wik.

1975# In den 1970er Jahren musste der durch jahrhundertelangen Trachytabbau geschwächte Gipfel des Drachenfelses mit einem Betonkorsett gegen die Einsturzgefahr gesichert werden. Seitdem besteht der Drachenfels aus zwei Gesteinsarten: Trachyt und Beton. WDR 3 Mosaik 25.7.2014

1975. beschloss die SPD als längerfristige Orientierung den »Orientierungsrahmen ’85«.

1975. brachte Ikea das Ikearegal »Billy« auf den deutschen Markt. *1975_billy.html

1975. ernannte die Ost-Berliner Stadtverordnetenversammlung den früheren Berliner Stadtkommandanten Nikolaj Bersarin zum Ehrenbürger von Berlin. SZ 14.2.2003

1975. erschien der erste Band von Peter Weiß’ essayistisch-autobiograhischem Roman »Die Ästhetik des Widerstands«.

1975. erschien Volker Brauns »Unvollendete Geschichte« und zeigte seine wachsende Distanz zu den Herrschenden der DDR an. ZA 8.4.2000 (taz)

1975. gründeten Ernst Friedrich Schumacher und Dagi Kieffer die Stiftung Ökologischer Landbau. www.biopioniere.net (2012)

1975. Gründung der Aachener Stadtzeitung »Klenkes«.

1975. hatte Udo Jürgens großen Erfolg mit den Liedern »Ein ehrenwertes Haus« und »Griechischer Wein«. Letzteres wurde Hit des Jahres. Der griechische Präsident Konstantin Karamanlis lud Jürgens ein. Im folgenden Jahr reüssierte er mit dem Lied »Aber bitte mit Sahne«, dessen Titel in den Sprichwörterschatz der Deutschen einging.

1975. kam Dr. Oetkers Versuchsküche mit Marie-Luise Haase erstmals ins Fernsehen.[68]

1975. kam es zum Skandal am Theater am Schiffbauerdamm um das Stück »Fräulein Julie« von Strindberg, inszeniert von B. K. Tragelehn und Einar Schleef. Ruth Berghaus‘ und Heiner Müllers Versuche, das Berliner Ensemble zu erneuern, stießen auf massiven Widerstand, auch im eigenen Haus.

1975. kündigte die Freie Universität Berlin in ihrem kommentierten Vorlesungsverzeichnis ein Seminar über Andreas Gryphius mit dem Hinweis an, es solle untersucht werden, »ob Andreas Gryphius ständepolitisch und ideologisch eine fortschrittliche Position innerhalb der restaurativen und gegenreformatorischen, bürgerliche Selbständigkeit beschränkenden sozialen Entwicklung einnimmt.«[69]

1975. Mitte der 1970er Jahre tauchte der Begriff »Tendenzwende« auf. Nach dem Ölpreisschock von 1973 ging die Ära des Keynesianismus zu Ende, der Fortschrittsoptimismus der Nachkriegszeit war gebrochen.[70]

1975. Mitte der 1970er Jahre verhinderte eine Bürgerinitiative den geplanten Abriss des Schwedenspeichers im Hafen von Stade.  museen-stade.de

1975. Shell-Jugendstudie: 57% der westdeutschen 16-18jährigen kündigten an: Meine Kinder will ich später genauso oder ähnlich erziehen, wie meine Eltern mich erzogen haben (1964: 73%).

1975. startete die Deutsche Bundespost eine Briefmarkenserie »Industrie und Technik« mit Motiven wie einem Satelliten, einer S-Bahn, einem Hubschrauber, einem Weltraumgleiter, einem Radioteleskop, einem Röntgengerät, einem Radlader, einem Atomkraftwerk. postfrisch 6/2014 (Geschi)

1975. strahlte die ARD erstmals eine ungekürzte Version des Spielfilms »Casablanca« aus. In der früheren Version fehlte die Schlüsselszene mit dem Streit zwischen »Wacht am Rhein« und »Marseillaise«. Der ungarische Widerstandskämpfer Viktor Lászlo war dort ein norwegischer Atomphysiker namens Viktor Larsen, der »Delta-Strahlen« erfunden hatte. WDR 3 Mosaik Aug. 2016

1975. veranlasste der konservative Unternehmer Alfred Kühne aus Protest gegen die »unternehmerfeindliche Politik der Regierung Willy Brandt« die Verlegung des Hamburger Logistikkonzerns Kühne & Nagel in die Schweiz. NW 13.7.2006

1975. verfilmten Volker Schlöndorff und Margarethe von Trotta Heinrich Bölls Roman »Die verlorene Ehre der Katharina Blum«.

1975. veröffentlichte Eva Jaeggi in der gewerkschaftlichen Jugendzeitschrift »‘ran« eine Aufklärungsserie mit dem Titel »Auch Fummeln muss man lernen«. Sie löste eine Welle empörter Zuschriften von Pfarrern, Betriebsräten, Gewerkschaftsvorständen und Einzelpersonen aus, die fast alle forderten: »Aufklärung ja – aber bitte sauber und nicht so schmutzig!« Jaeggi hatte es gewagt, offen darüber zu schreiben, dass viele Jugendliche gerne miteinander bumsen möchten.[71]

1975. veröffentlichte Peter Weiß den ersten Band seines autobiographisch-geschichtsphilosophischen Romans »Die Ästhetik des Widerstands«.

1975. vertrat Otto Schily Ulrike Meinhof und Gudrun Enßlin im Stammheimer Terroristenprozess. ZA 22.11.2001 (Zeit)

1975. wollte Marion Gräfin Dönhoff sich in einer Glosse in der »Zeit« für die diplomatische Anerkennung der DDR einsetzen. Theo Sommer und andere redeten ihr das aus.[72]

1975. wurde der Deutsche Bildungsrat aufgelöst. MTL

1975. wurde der Produktionsleiter von Daimler-Benz Argentina, Heinrich Metz, von Montoneros entführt. Hanns Martin Schleyer kümmerte sich persönlich um den Fall und nutzte seine seit 1959 bestehenden Kontakte zur argentinischen Führungsclique.[73]

1975. wurde inb Marktheidenfeld der Bund Natur- und Umwelt­schutz Deutschland gegründet (später Bund Umwelt- und Naturschutz Deutschland, BUND). ZA Gesch 1.4.2000 (BUND-Magazin)

1975. würdigte Gershom Scholem die biblische Dimension des 90jährigen Philosophen Ernst Bloch. ZA Bloch 3.5.2003

1975. Zahlreiche Veröffentlichungen vor allem in der DDR zum 450. Jubiläum des Bauernkrieges. Oss. 16, 12.8.2000

1975.01. stieg die offizielle Zahl der Arbeitslosen in West­deutsch­land erstmals über 1 Million auf 1,15 Mio.[74]

1975.01. trat der usamische Jazz-Pianist Keith Jarrett unter schwierigen Umständen in der Kölner Oper auf und legte dort ein komplett frei improvisiertes Solokonzert vor, das von Tontechnikern mitgeschnitten wurde. Die Aufnahme wurde unter dem Titel »The Köln Concert« legendär, die Tonträger (LP, Cassette, ab 1983 CD) wurden die weltweit meistverkaufte Jazz-Soloplatte und die meistverkaufte Klavier-Soloplatte. Wik.

1975.01. trat die kommunale Neuordnung in NRW in Kraft. Wattenscheid wurde zu Bochum, Wanne-Eickel zu Herne, Bensberg zu Bergisch Gladbach, Porz und Rodenkirchen zu Köln, Brackwede und Sennestadt zu Bielefeld, Neheim-Hüsten zum halb so großen Städtchen Arnsberg geschlagen, das dadurch von 20.000 auf 80.000 Einwohner und von 8? auf 32 km Länge anwuchs.

1975.01. wurde mit der Errichtung der Baustelle für das Atomkraftwerk Wyhl begonnen, obwohl die finale Genehmigung für den Bau des Kernkraftwerks noch ausstand. Am 27. Januar prüfte das Verwaltungsgericht Freiburg in Breisach die erste Teilgenehmigung. Am Prozess waren drei Richter und 45 geladene Sachverständige beteiligt, Kläger waren die Gemeinden Endingen am Kaiserstuhl, Forchheim, Lahr, Sasbach, Schwanau, Weisweil und einige Privatpersonen. Thema des Prozesses waren die Auswirkungen der radioaktiven Emissionen und des warmen Abwassers auf die Umwelt. Das Verwaltungsgericht Freiburg verfügte einen Stopp der Bauarbeiten. Im Februar besetzten Kraftwerks­gegner die Baustelle. – Wikip.

1975.02. – Die Europäische Gemeinschaft und 46 Staaten in Afrika, der Karibik und dem Pazifik unterzeichneten das erste Lomé-Abkommen, das den AKP-Staaten einseitige Zollvorteile gewährte.

1975.02. besetzten Atomkraftgegner den Bauplatz des Atomkraftwerks Wyhl im Kaiserstuhl. Joachim Radkau analysierte: »Der Stil der großen Demonstrationen und Platzbesetzungen, der es auf Zusammenstöße mit der Polizei ankommen lässt, stammt von 1968, ebenso wie das ausgeprägte Freund-Feind-Denken.«[75]

1975.02. nahm das Atomkraftwerk Biblis A südlich von Darmstadt den kommerziellen Betrieb auf. Wp

1975.02. räumte die Polizei den von Atomkraftgegnern besetzten Bauplatz des geplanten Atomkraftwerks Wyhl. Im März verhängte ein Gericht den Baustopp. ZA Gesch 1.4.2000 (BUND-Magazin)

1975.03. – Ingmar Bergmans Film «Szenen einer Ehe» ging in den deutschen Kinos an den Start.

1975.03.01. starb Günther Lüders, deutscher Filmschauspieler («Kriminaltango»), geb. 1905

1975.03.30. starb der rheinische Schriftsteller Peter Bamm (bgl. Curt Emmrich) 76jährig in Zollikon.

1975.04. – Bei der Besetzung der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Stockholm durch das RAF-Kommando «Holger Meins» kamen vier Menschen ums Leben.

1975.04. besetzte ein RAF-Kommando »Holger Meins« die westdeutsche Botschaft in Stockholm und tötete zwei Geiseln. ZA Fischer 8.1.2001 (Spiegel)

1975.04. endete der Vietnamkrieg. Die USA erlebten in Saigon ihre erste Kriegsniederlage. ZA Gesch. 27.4.2000 (Zeit)

1975.04. eroberte die vietnamesische Befreiungsfront Saigon. Der Vietnam-Krieg war zu Ende, die erste Kriegsniederlage in der Geschicht der USA war perfekt.[76]

1975.04. verloren die USA den Vietnamkrieg. Nordvietnamesische Truppen und Vietkong eroberten Saigon.

1975.05. warnte der »Spiegel« (vielleicht erstmals) vor einer »tickenden Bombe« im Gesundheitswesen (später sprach man von »Kostenexplosion im Gesundheitswesen«). Man zitierte sogar eine – nicht ganz ernst gemeinte – Prognose, nach der im Jahr 2000 »die Westdeutschen das ganze Jahr hindurch nur für den Gesundheitsdienst arbeiten« müssten.[77]

1975.07. gründeten die Umweltschützer Herbert Gruhl, Bernhard Grzimek, Konrad Lorenz, Bodo Manstein, Hermann Steininger, Horst Stern, Gerhard Thielcke, Frederic Vester, Hubert Weinzierl und andere in Marktheidenfeld (Franken) den Bund für Natur und Umweltschutz Deutschland (BNUD), ab 1977 BUND. bund.net 2015. Schon das erste Faltblatt deutete mit dem Titel »Unsere Umwelt braucht Hilfe« und dem Themenspektrum das wesentliche Merkmal des BUND an: Umweltschutz und Naturschutz auf gleicher Augenhöhe.

1975.07. Im Sommer veröffentlichte Alice Schwarzer ihr Buch »Der ‹kleine Unterschied› und seine großen Folgen« (bei S. Fischer) – Untertitel: »Frauen über sich – Beginn einer Befreiung«. Den Kern des Buches bildeten 14 Interviews mit insgesamt 16 Frauen (zwischen 21 und 53 Jahre alt, 8 davon in den 30ern). Schwarzers zentrale These war, dass Männer ihre Frauen vor allem beim Sex unterdrücken. Den Protokollen fügte sie ein Kapitel über »die Funktion der Sexualität bei der Unterdrückung der Frau« an, ferner ein Kapitel über berufstätige Frauen, eine kurze Historie »über Feministinnen, Hexen und Suffragetten« sowie eine »Liste autonomer Frauengruppen«. Diese verzeichnete zwölf Gruppen in München, fünf in West-Berlin (darunter ein Frauenzentrum mit »zahlreichen Arbeits- und Quatschgruppen«), vier in Köln; je drei in Bonn, Bremen, Darmstadt, Dortmund und Hamburg; je zwei in Aachen, Düsseldorf, Duisburg, Frankfurt, Freiburg, Heidelberg, Mainz, Marburg, Münster, Wien und Wilhelmshaven; je eine in Baden-Baden, Bochum, Braunschweig, Esslingen, Gelsenkirchen, Göttingen, Hagen, Ingolstadt, Kiel, Krefeld, Mannheim, Moers, Mönchengladbach, Münchrath (bei Düsseldorf), Offenbach, Oldenburg, Saarbrücken, Solingen, Tübingen, Uelzen, Walsum (bei Duisburg), Wuppertal und Zürich.[78]

1975.07? Mitte 1975 wurde die erste große westdeutsche Debatte über die angebliche Faulheit vieler Arbeitsloser geführt. Hintergrund: Ein Jahr später standen Bundestagswahlen ins Haus, und die Zahl der Arbeitslosen stieg rezessionsbedingt immer weiter an. Die Folge war: Die CDU/CSU verpasste 1976 nur knapp die absolute Mehrheit. Die nächste Debatte dieser Art folgte im *1981.06. Analyse von G. Schmid, F. Oschiansky u. S. Kull, FR 9.10.2001 (n.a.)

1975.09. Sturm auf das spanische Generalkonsulat in Frankfurt mit Steinen und Brandflaschen; beteiligt: Joschka Fischer. ZA Fischer 8.1.2001 (Spiegel)

1975.10. hob der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim auf Antrag der Landesregierung unter Ministerpräsident Hans Filbinger den Baustopp für das Atomkraftwerk Wyhl auf.– Wikip.

1975.10. trat in West­deutsch­land ein »Pflanzenschutzgesetz« in Kraft, das u. a. die Nichtbekämpfung bestimmter »Unkräuter« mit Geldbußen von bis zu 10.000 DM bedrohte. Aufgrund dieses Gesetzes verfügten die Regierungsbezirke Darmstadt und Kassel die Bekämpfung von Ackerdistel, Acker-Gänsedistel, Berufkraut, Franzosenkraut, Gemeiner Melde, Großer und Kleiner Brennessel, Kanadischer Goldrute und Riesen-Goldrute.[79]

1975.11. legten linke Volkswirtschaftler unter der Ägide von Rudolf Hickel ihr erstes »Memo­randum für eine alternative Wirtschaftspolitik« vor. Ab Mai 1976 erschien das Memorandum jährlich im Mai.

1975.11. verfertigte der Kunstfälscher Konrad Kujau den ersten Band seiner »Hitler-Tage­bücher« und zeigte ihn dem Militariahändler und Industriellen Fritz Stiefel, der Kujau ermunterte, weitere Bände herzustellen. Wik.

1975.11. wurde der »Lange Oskar« in Hagen eröffnet, ein 98 m hohes Bürohochhaus der dortigen Sparkasse (2004 gesprengt). Wikip.

1975.12. gab es in West­deutsch­land noch 3173 Kinos. Nur 462 zeigten noch eine Wochenschau vor dem Hauptfilm. ZA Gesch. 16.9.2000 (NW)

1975.12. porträtierte Horst Stern in seiner Fernsehserie »Sterns Stunde« die Spinne. Der Zweiteiler blieb vielen Zuschauern wegens seiner beeindruckenden Bilder lange im Gedächtnis. – Wik.

1975? bestellte sich Udo Jürgens eine Portion Kuchen – »Aber bitte mit Sahne!«

1975? Um 1975 lernte Ernst Müller in Griechenland eine Frau aus Bad Nauheim kennen und heiratete sie. Er fand in Bad Nauheim seine erste Anstellung. Tsp. 1.12.2000

1975k Der Soziologe Helmut Schelsky wandte sich in dem Buch »Die Arbeit tun die anderen. Klassenkampf und Priesterherrschaft der Intellektuellen« einer konservativen Intellek­tuellen­schelte zu; folgte nun also doch dem Vorbild seines Ex-Freundes Arnold Gehlen.

1976. begann der Bau eines 5 m hohen Nahewehres in Idar-Oberstein als Vorbereitung für die geplante Nahe-Überbauung.[80]

1976. begann die Anlage des Kemnader Sees im Ruhrtal bei Witten.  Teile der ehem. Schachtanlage Oveney wurden 1982/83 zu Bootshallen umgebaut. www.fzkemnade.de

1976. beschloss der Aachener Stadtrat, ein Kunstmuseum (»Museum Ludwig«) an der Monheims­allee bauen zu lassen. Das Sammlerehepaar Peter und Irene Ludwig hatte eine Schenkung von 150 modernen Kunstwerken versprochen unter der Bedingung, dass dafür ein neues Museum gebaut werde.[81]

1976. demonstrierten 30.000 Menschen gegen den Bau des Atom­kraftwerks Brokdorf. ZA Gesch 1.4.2000 (BUND-Magazin)

1976. endete die ZDF-Krimiserie »Der Kommissar«.

1976. erhöhten sich nach einer Missernte in Brasilien die Weltmarktpreise für Kaffee drastisch. Da sich das Problem mit Folgen der Ölkrise überschnitt, kam es 1977 zur Kaffeekrise in der DDR. Wik.

1976. erste westdeutsch-polnische Städtepartnerschaft Bremen-Gdansk auf Initiative des Bremer Bürgermeisters Hans Koschnick. ksta 22.12.1999

1976. fanden die ersten Karl-May-Festspiele in Elspe mit Pierre Brice als Winnetou statt (mit jährlich bis zu 400.000 Teilnehmern). Ab 1978 wurden sie von der Fernsehserie »Mein Freund Winnetou« begleitet. ZA Brice 7.2.2004 (Kalender­blatt)

1976. Für die Hauptrolle im Kino- und TV-Film ”Die neuen Leiden des jungen W.“  (Verfilmung des gleichnamigen Romans von Ulrich Plenzdorf) wurde der spätere Berliner Liedermacher Klaus Hoffmann mit der ”Goldenen Kamera“ ausgezeichnet.

1976. gründeten ## in West-Berlin das erste deutsche Frauenhaus.

1976. inszenierte Peter Stein Richard Wagners Oper »Rheingold« an der Pariser Oper. HPL

1976. schied Walther Leisler Kiep als Schatzmeister der hessischen CDU aus und wurde Bundesschatz­meister der CDU. Er hinterließ der hessischen CDU keinerlei Vermögen, wie er im Nov. 2000 vor dem Schwarzgeld-Untersuchungsausschuss des Landtags angab. D. h., zwischen 1976 und 1983 sammelte die hessische CDU über 20 Mio DM an, wahrscheinlich illegale Spenden aus der Industrie. FR 30.11.2000 – *1983. transferierte…

1976. schloss Bertelsmann die Übernahme des Verlages Gruner & Jahr mit 74,9 % Beteiligung ab. Zu G&J gehörten die Zeitschriften »stern«, »Geo«, »Brigitte« u.a. ZA 1.1.2000 (Medien)

1976. sprach mit Dagmar Berghoff die erste Frau die Nachrichten der »Tagesschau«. Rückblick Deutsche Post 2002

1976. sprach mit Dagmar Berghoff die erste Frau die Nachrichten der »Tagesschau«. Rückblick Deutsche Post 2002

1976. veröffentlichte der Chirurg Julius Hackethal sein medizinkritisches Werk »Auf Messers Schneide«. ksta 18.10.1994

1976. wurde das Bauhaus in Dessau denkmalgerecht rekonstruiert.

1976. wurde die Weimarer Mehrzweckhalle eröffnet (gebaut im Betonskelett der Nazi-»Halle der Volksgemeinschaft«). Tafel Gauforum Weimar

1976. wurde Erich Mielke Mitglied des Politbüros der SED. ZA Mi 27.5.2000 (taz)

1976. wurde in Berlin (Ost) mit 100 000 Besuchern der »Palast der Republik« eröffnet. Bis zu seiner Schließung im Sept. 1990 sah er 70 Mio. Gäste. Besonders beliebt war seine Mocca-Bar. Im April 1998 wurde der Abriss beschlossen. Die Zeit 29. 4. 1998 (nicht archiviert)

1976. zeigte das Maxim-Gorki-Theater in Ost-Berlin zum ersten Mal ein Stück des sowjetischen Dramatikers Alexander Gelman. Bis 1986 folgten drei weitere Werke, darunter das Stück »Wir, die Endesunterzeichnenden«, das sieben Jahre lang (in der SU? in der DDR?) verboten war. Ordner Geschi 1952

1976.? Gründung von Stadtillustrierten: »StadtRevue« (Köln), »Schädelspalter« (Hannover).

1976.01. forderte der ostdeutsche Schriftsteller Franz Fühmann in einer Rede vor der Akademie der Künste einen neuen Begriff der Romantik, der die Unterwelt der Dämonen, Trolle und Hexen einbeziehen solle. Er begründete das damit, dass Hoffmann der Lieblingsschriftsteller Karl Marx‘ gewesen sei, und dass das berühmte »Gespenst des Kommunismus« im Vorwort des Kommu­nistischen Manifests aus seiner Hoffmann-Lektüre entsprungen sei.[82]

1976.01. kam Pierre Kartners (Vader Abrahams) Schlager »In’t kleine café aan de haven« in den Niederlanden auf Platz 16 der Top 40. Der österreichische Schlagersänger Peter Alexander beauftragte Michael Kunze, einen deutschen Text anzufertigen, und erzielte mit »Die kleine Kneipe« einen der größten seiner Erfolge in Westdeutschland. – Wik.

1976.03. verriss Marcel Reich-Ranicki in der FAZ den Roman »Jenseits der Liebe« von Martin Walser. Es war der Beginn einer jahrzehntelangen Feindschaft. NW 16.3.2010

1976.04. luden die Evangelische Akademie Bad Boll und der BNUD (später BUND) zu einer Tagung über »das unbewältigte Wachstum« nach Bad Boll. Es sprachen u.a. Carl Amery, Freimut Duve, Herbert Gruhl, Enoch zu Guttenberg, Frank Haenschke, Werner Haverbeck, Josef Leinen, Klaus Lubkoll, Bodo Manstein, Kurt Naumann, Lothar Späth, Harald Stumpf, Hans Tietmeyer, Frederic Vester. Einladung

1976.04. startete das ZDF die Zeichentrickserie »Die Biene Maja« – nach der Romanvorlage von Waldemar Bonsels aus dem Jahr 1912. Amerikanische Autoren schrieben die 104 Episoden, gezeichnet und produziert wurde die Serie in Japan.[83]

1976.04. wurde der Palast der Republik in Ost-Berlin eröffnet. ZA 19.4.2001 (Die Zeit)

1976.05. Am 9. Mai erhängte sich Ulrike Meinhof 41jährig in ihrer Stuttgarter Zelle. Die Sympathisanten sahen darin einen Mord durch die Staatsmacht. Am 10. Mai griffen Studenten auf dem Frankfurter Campus einen Polizei­wagen mit Brandflaschen an; ein Polizist erlitt lebensgefährliche Verbrennungen. Joschka Fischer wurde kurz als Mittäter verdächtigt und festgenommen. ZA Fischer 8.1.2001 (Spiegel)

1976.06.09. starb der Schriftsteller Gerd Gaiser 67jährig in Reutlingen. MGTL

1976.07. Entführung eines in Athen gestarteten Air-France-Flugzeugs nach Entebbe in Uganda. Unter den Terroristen waren fünf Palästinenser und zwei Deutsche. Sie selektierten die Passagiere in Juden (Israelis) und Nicht-Juden, ließen die Nicht-Juden frei. Israelische Soldaten befreiten im Handstreich die Geiseln und töteten die Terroristen. Joschka Fischer sah ein: »Du wirst selbst so wie der, den du bekämpfst.« ZA Fischer 8.1.2001 (Spiegel)

1976.07. Giftgasunglück in Seveso bei Milano. JiB 67

1976.07.07. starb Gustav Heinemann 76jährig in Essen. JiB 65

1976.07.31. gewann Ost­deutsch­land mit einem 3:1 über Polen das Fußball-Endspiel der Olympiade in Montreal. ksta 28.1.2000

1976.10. besetzten Polizei und Baufirmen den Bauplatz des geplanten Atomkraftwerks Brokdorf, um einer Besetzung durch Atomkraftgegner zuvorzukommen. Im November tobte die erste Schlacht um Brokdorf. Die Polizei vertrieb mit Knüppeln, Gasgranaten und Hubschrauber-Tiefflügen 25.000 Demonstranten. Die Zeit 31.3.2011

1976.10. Bundestagswahl. Die CDU/CSU mit Kanzlerkandidat Helmut Kohl verfehlte nur knapp die absolute Mehrheit (48%).

1976.10. wurde der Christdemokrat und »Anti-68er« Eduard Lintner in den Bundestag gewählt. Um die gleiche Zeit ließ sich der junge bayerische Linkskatholik Ludwig Stiegler anlässlich eines Referates durch Lektüre der Rede von Otto Wels gegen das Ermächtigungsgesetz von 1933 für die SPD begeistern. Rückblicke, SZ 23.9.2009

1976.10.29. wurde Erich Honecker Staatsratsvorsitzender der DDR (als Nachfolger v. Willi Stoph).

1976.11. Am 17. November trafen sich Volker Braun, Stephan Hermlin, Stefan Heym, Sarah Kirsch, Günter Kunert (mit Ehefrau Marianne), Heiner Müller, Rolf Schneider und Christa Wolf (mit Ehemann Gerhard) in der etwas heruntergekommenen Villa Hermlins in Berlin-Niederschönhausen und setzten einen Protest gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns auf. Das Schreiben gaben sie beim ND, beim Kulturattaché der französischen Botschaft und bei Reuters ab. Die Sache war für die SED delikat, weil Hermlin und Heym beide selbst einmal ausgebürgert worden waren (von den Nazis), und weil Biermann der Sohn eines jüdischen Kommunisten war, den die Nazis in Auschwitz ermordet hatten.[84]

1976.11. Ausbürgerung von Wolf Biermann aus der DDR. Klaus Schlesinger erinnert sich in Fr 47, 15.11.1996 – SZ 13.11.2001 (25 Jahre)

1976.11. stellte das MfS der DDR Robert Havemann unter Hausarrest. Er wirkte dennoch bis zu seinem Tode für einen demokratischen Sozialismus und suchte in diesem Sinne publizistisch über westdt. Medien auf Politik und Gesellschaft in der DDR Einfluss zu nehmen.[85]

1976.11. unterzeichnete der odt. Schauspieler Armin Mueller-Stahl die Biermann-Resolution und wurde kalt gestellt. ZA 16.12.2000 (NW)

1976.12. lief in West­deutsch­land die staatliche Subvention der Wochenschauen in den Kinos aus. Im folgenden Jahr wurde die »Deutsche Wochenschau« eingestellt, »Fox’ Tönende Wochenschau« folgte Ende 1978. ZA Gesch. 16.9.2000 (NW)

1976.12. wurde das Reichsnaturschutzgesetz in West­deutsch­land vom Bundesnaturschutzgesetz abgelöst. Qu.: Schmeil-Fitschen

1976.13. Der Essener Jurist, ev. Kirchenpolitiker, Christdemokrat, Pazifist, Sozialdemokrat und Bundespräsident a. D. Gustav Heinemann starb 76jährig in Essen.

1976k Das internationale Festival für elektroakustische Musik in Bourges (Frankreich) zeichnete die ostdeutschen Komponisten Georg Katzer und Lothar Voigtländer aus.[86]

1977. heiratete Angela Kasner den Physiker Ulrich Merkel. 1978 wurde Angela Merkel wissen­schaftliche Mitarbeiterin am Institut für Physikalische Chemie der Akademie der Wissenschaften in Berlin (Forschungsfeld: Quantenchemie). Hier war sie zeitweise FDJ-Kreisleitungsmitglied und wurde FDJ-Sekretärin für Agitation und Propaganda an der Akademie der Wissenschaften. Wikipedia 2005

1977.? Zusammen mit ihrem neuen Liebhaber, dem 20 Jahre älteren, verhei­rateten, bekannten irischen Gewerkschaftsführer John Carroll, beteiligte sich die EG-Verwaltungsrätin Petra Kelly (29) in Melbourne, Australien, an ihrem ersten »Die-in«. Aus Protest gegen die Neutronenbombe legten sich 60.000 Demonstranten minutenlang wie tot auf die Straße. Kelly hatte maßgeblichen Anteil an der Propa­gierung solcher und ähnlicher symbolischer Aktionen in der westdeutschen Friedens­bewegung. Im August 1978 flog sie zusammen mit Carroll nach Hiroshima und sah dort die Ausstellung, traf Opfer der Atombombe. (Schwarzer 1993:108f)

1977.01. Am 26. 1. 1977 erschien die erste »Emma« (Alice Schwarzer).

1977.01. kam es im Atomkraftwerk Grundremmingen (Block A) zu einem Unfall, der den wirt­schaftlichen Totalschaden auslöste. Nach zwei Kurzschlüssen und einer Notabschaltung pumpte die Automatik zu viel Kühlwasser in den Reaktor, so dass sich dieser 3 m hoch mit Wasser füllte. Die Mannschaft ließ Wasser und Gase später »kontrolliert ins Freie ab«. Wik.

1977.01. trat in West­deutsch­land ein neues Ehe- und Familienrecht in Kraft. Die Verpflichtung der Ehefrau zur Hausarbeit wurde abgeschafft; Frauen bekamen das Recht auf Berufstätigkeit. Im Scheidungsverfahren wurde das Schuldprinzip abgeschafft und durch das Zerrüttungsprinzip ersetzt. Alles für die Frau 10.12.2005, S. 26

1977.01. untersagte das Verwaltungsgericht Herbolzheim im Hauptverfahren den Bau des Atomkraftwerks Wyhl wegen eines fehlenden Berstschutzes. Wikip.

1977.01.18. starb der Dramatiker Carl Zuckmayer 80jährig in seiner Schweizer Wahlheimat Visp (Wallis). MGTL

1977.01? wurde Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer zusätzlich Präsident des BDI.

1977.01? wurde Schleyer zusätzlich Präsident des BDI.

1977.02. deckte der »Spiegel« die Lauschaffäre Traube auf (mit dem Titel »Lauschangriff auf Bürger T.«). Betroffen war der Atomphysiker Klaus Traube. Im Zuge der Affäre musste Bundes­innenminister Werner Maihofer (FDP) zurücktreten.

1977.02. deckte der »Spiegel« die Traube-Affäre auf – mit der Titelgeschichte Verfassungsschutz bricht Verfassung. Lauschangriff auf Bürger T. – Atomstaat oder Rechtsstaat? Der Physiker Klaus Traube, Leiter eines Projekts der Firma Siemens für den Bau eines Atomkraftwerks vom Typ Schneller Brüter in Kalkar am Niederrhein, wurde verdächtigt, dass er möglicherweise radio­aktives Material an Terroristen weitergeben könnte. Traube war befreundet mit einer linken Anwältin in Frankfurt, die Kontakte zur RAF hatte; außerdem war seine Mutter KPD-Mitglied gewesen. Das Kölner Bundesamt und das Innenministerium ließen Verfassungsschützer in sein Haus eindringen, man brachte Wanzen an und hörte ab. Amt und Ministerium sorgten dafür, dass Traube – gegen eine hohe Abfindung – von Siemens entlassen wurde. Am Ende erwiesen sich die Vorwürfe als haltlos. Zurücktreten musste deshalb, wie üblich, der am wenigsten Schuldige:  der linksliberale Innenminister Werner Maihofer (FDP).[87]

1977.02. kündigte der niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) den Bau eines nuklearen »Entsorgungsparks« in Gorleben im Kreis Lüchow-Dannenberg an. Schon eine Woche später gab es die ersten Demonstrationen dagegen. Die Zeit 31.3.2011

1977.02. Lauschangriff auf den Atomtechiker Klaus Traube im bergischen Marialinden. ksta 27. 2. 1997

1977.02. wurde der Spielfilm »Hermann der Cherusker – Die Schlacht im Teutoburger Wald« uraufgeführt. Es handelt sich um eine deutsch-italienisch-jugoslawische Koproduktion, die schon ab 1965 in den übrig gebliebenen Kulissen anderer Antikenfilme in Zagreb unter der Regie von Ferdy Baldwin (Ferdinando Baldi) realisiert wurde, mit Hans von Borsody als Hermann (Armin).

1977.03. gründete der westfälische Unternehmer Reinhard Mohn die Bertelsmann-Stiftung. Im Sinne seiner Überzeugung, dass »das Ordnungssystem der Unternehmenskultur« des Bertelsmann-Konzerns »in allen Bereichen der Gesellschaft zur Anwendung gebracht werden« könne, begann die Stiftung, Projekte in den Bereichen Bildung, internationale Verständigung, Demokratie und Bürgergesellschaft, Soziales und Beschäftigung sowie Gesundheit zu fördern. NW 5.3.2002

1977.04. Am 7. April 1977 ermordeten RAF-Terroristen in Karlsruhe Generalbundesanwalt Siegfried Buback. Zwanzig Tage später erschien in den »Göttinger Nachrichten«, einem Organ des AStA der Uni, der Buback-Nachruf des »Mescalero« (»klammheimliche Freude«) und löste eine nationale Hysterie aus. Rückblick, Die Zeit 4. 4. 1997

1977.04. Am 7. April ermordeten drei RAF-Mitglieder in Karlsruhe den Generalbundesanwalt Siegfried Buback. Gegen die Tatverdächtige Verena Becker wurde wegen dieser Tat offenbar nie ermittelt. Sie hatte Verbindungen zum Verfassungsschutz. NW 3.9.2009

1977.04. Am Gründonnerstag ermordeten zwei RAF-Terroristen (vermutlich Sonnenberg und Wisniewski) vom Motorrad aus auf offener Straße in Karlsruhe Generalbundesanwalt Siegfried Buback und seine beiden Begleiter Göbel und Wurster. NW 6.4.2007

1977.05. lief Wim Wenders‘ Verfilmung von Patricia Highsmith‘ Roman »Der amerikanische Freund« auf dem Filmfestival von Cannes. im Juni startete der Film in den westdeutschen Kinos.

1977.05. wurde der Sozialdemokrat Klaus Schütz als Regierender Bürgermeister von West-Berlin von Dietrich Stobbe abgelöst.

1977.06. nahm das Münchener Kino »Museum Lichtspiele« den usamischen Musicalfilm »The Rocky Horror Picture Show« mit der Musik von Richard O’Brien ins Programm auf und spielt ihn seitdem wöchentlich als Kultfilm. Rasch übernahm das deutsche Publikum die in Usa und Groß­britannien entstandenen Mitspielgebräuche (Reis, Zeitung, Wasserpistolen, Klopapier ua.). Wik.

1977.06. wurde der Grundstein für den Wiederaufbau der Semperoper in Dresden gelegt. Chefarchitekt war Wolfgang Hänsch.

1977.07. Beim UZ-Pressefest in Duisburg sang Hannes Wader deutsche und europäische Arbeiter­lieder: »Dem Morgenrot entgegen«, »Auf, auf zum Kampf«, »Der kleine Trompeter«, »Bella ciao«, »Mamita mia«, »Spaniens Himmel«, das »Einheitsfrontlied«, das »Solidaritätslied«, »Die Moorsoldaten«, das »Lied vom Knüppelchen«, die »Internationale«. Dazu das chilenische Kampf­lied »El pueblo unido« von Sergio Ortega, deutsch von Martin Buchholz, und eine selbst geschaffene Umdichtung des Liedes »Trotz alledem« von Ferdinand Freiligrath. Aus den drei Konzerten schnitt Philips die Schallplatte »Hannes Wader singt Arbeiterlieder« zusammen, die in der linken Szene West­deutschlands weite Verbreitung fand.[88]

1977.08. begann der Interkirchliche Friedensrat (IKV) der Niederlande mit einer langfristig angelegten Kampagne: »Helft die Atomwaffen aus der Welt zu schaffen und lasst uns in den Niederlanden damit beginnen!« Im gleichen Monat gründeten Amsterdamer Kommunisten und andere das Komitee »Stop de Neutronenbom«.[89]

1977.08. veröffentlichte der »Spiegel« Auszüge aus Rudolf Bahros marxistischer DDR-Kritik »Die Alternative«. Bahro hatte nirgendwo bei Marx Hinweise auf eine staatliche Erziehungsdiktatur gefunden, wie die DDR eine war. *1950_Buecherliste.html

1977.09. Am 5. September, dem 5. Jahrestag des Palästinenser-Überfalls auf die israelische Olympia­mannschaft in München, ermordeten RAF-Terroristen in Köln die fünf Begleiter des Arbeit­geberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer und entführten Schleyer, um Baader, Enßlin, Raspe u. a. freizupressen. Dokumentar- und Spielfilm v. Heinrich Breloer, ksta 21. 5. 1997. Rückblick, ksta 5. 9. 1997 – Am 7. Sept. fiel dem Erftstädter Polizisten Ferdinand Schmitt die Wohnung auf, in der der entführte Schleyer untergebracht worden war. Seine Meldung ging jedoch auf dem Dienstweg verloren. ksta 13.9.1997 – Zum «deutschen Herbst« 1977: Freitag 40, 26. 9. 1997 – Rückblick auf den Stammheimer Prozess gegen Baader, Meinhof, Enßlin, Raspe u. a. ksta 3. 9. 1997 – Im Okt. 1977 bot das BKA dem in den Niederlanden verhafteten Knut Folkerts angeblich 1 Mio. DM, wenn er Schleyers Versteck verrate. ksta 4. 9. 1997 – Gedenkveranstaltung für Schleyer und seine Begleiter in Köln. ksta 5. 9. 1997 – Schleyer wurde von RAF-Terroristen entführt. Alle seine Nachrichten gingen an Eberhard v. Brauchitsch. Er war tief enttäuscht darüber, dass Kohl sich nicht für ihn einsetzte. Am 18. Oktober ermordeten ihn die Entführer. Stefan Wisniewski begründete das später sinngemäß so: »Es waren inzwischen so viele gestorben, da kam es auf den auch nicht mehr an. Ich hätte es als ungerecht empfunden, wenn die alle sterben und ausgerechnet der Naziverbecher Schleyer überlebt.«[90]

1977.09? erschien in Köln das erste Heft der »Beiträge zur feministischen Theorie und Praxis«, die erste wissenschaftliche Frauenzeitschrift Deutschlands. Voraus­gegangen war der gescheiterte Versuch von Feministinnen um die Kölner Soziologin Maria Mies, innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Soziologie eine Sektion für Frauenforschung zu gründen. Die Männer im Verband hatten das nicht zugelassen. ksta 11. 9. 1997

1977.10. eröffneten die Bielefelder Sozialarbeiterinnen Ilse Buddemeier und Beatrice Tappmann ein Frauenhaus. Der damalige Sozialdezernent, der Sozialdemokrat Johannes Kramer, konnte nur schwer von der Idee überzeugt werden. Erinnerungen zum 40. Geburtstag, ZA dG 7.10.2017

1977.11. organisierte der von dem Soziologen Christof Kievenheim gegründete »Arbeitskreis Westdeutsche Arbeiterbewegung (AWA)« eine Konferenz „über methodische Voraussetzungen einer Strategie der Arbeiterbewegung in der BRD“. Wolfgang Abendroth, Elmar Altvater, Joachim Bischoff, Wolfgang Fritz Haug, Sebastian Herkommer, Jörg Huffschmid, Urs Jaeggi, Wolf-Dieter Narr und andere Links­intellektuelle nahmen teil und diskutierten vor allem Ansätze des Eurokommunismus. Der Konferenzbericht erschien als Sonderband 44 der Zeitschrift »Das Argument«. Wik.

1977.11. übergoss sich der Tübinger Lehrer und Atomkraftgegner Hartmut Gründler an der St.-Petri-Kirche in Hamburg mit Benzin und zündete sich an, um gegen den Atomkurs von Bundeskanzler Schmidt und der SPD zu demonstrieren. Gründler starb an den Folgen. Die Zeit 31.3.2011

1977.13. Der pfälzische Philosoph Ernst Bloch starb 92jährig in Tübingen (4. 8.). Der österreichische Faschist und ehem. Bundeskanzler Kurt Schuschnigg starb 79jährig in Mutters bei Innsbruck. Die Wiener Schriftstellerin und Kommunistin Maxie Wander starb 44jährig in Kleinmachnow an Krebs (21. 11.).

1977k Berlin: Heiner Müllers Drama »Germania Tod in Berlin« wurde uraufgeführt, im folgenden Jahr »Die Hamletmaschine«. | Berlin: Ruth Berghaus trat als Theaterdirektorin am Schiffbauer­damm zurück. Manfred Wekwerth, ehemals Regieassistent bei Brecht und später Regisseur am Berliner Ensemble, übernahm die Leitung. Im Mittelpunkt seiner Arbeit stand die Bewahrung Brechtscher Ideen. Wichtige Uraufführungen: 1979 »Großer Frieden«, 1980 »Simplex Deutsch«, 1988 »Lenins Tod« von Volker Braun, Regie Christoph Schroth, sowie »Jochen Schanotta« (1985) und »Villa Jugend« (1991) von Georg Seidel. | Berlin: Hermann Kants autobiographischer Roman »Der Aufenthalt« erschien im Aufbau Verlag Berlin/DDR. | Berlin: Die Wiener Schriftstellerin Maxie Wander veröffentlichte im Buchverlag Der Morgen unter dem Titel »Guten Morgen, du Schöne« ihre Gesprächsprotokolle über Leben und Wünsche von ## ostdt. Frauen. Starker Einfluss auf Erasmus Schöfer.[91] |  Bonn: Die Deutsche Bundespost startete eine Briefmarkenserie »Burgen und Schlösser«.[92] | Dresden: In Dresden begann der Wiederaufbau der Semperoper. Er kostete 225 Millionen Mark. | Frankfurt: Bernward Vespers autobiographischer Roman-Essay »Die Reise« erschien postum  – über seinen Weg aus konservativ-faschistischem Elternhaus (Gut Triangel bei Gifhorn) in die APO-, Drogen- und Terrorszene. Das Buch wurde zum Kultbuch einer Generation.[93] | Hamburg: Fritz J. Raddatz wurde Leiter des Feuilletons der »Zeit«. |  Hannover: Der Kölner Reporter Günter Wallraff schlich sich unter dem Namen Hans Esser in die Redaktion Hannover der Bild-Zeitung ein und veröffentlichte darüber später das Reportagebuch »Der Aufmacher«. Nebenbei drehte er den Dokumentarfilm »Informationen aus dem Hinterland« über die Methoden der Bild-Zeitung. Der WDR wollte den Film ursprünglich senden, nahm ihn dann aber aus dem Programm und stellte ihn bis 2010 unter Sperrvermerk. NW 14.8.2010 (dpa) | Mainz: Die Redaktion des ZDF-Magazins »Kennzeichen D« bekam den Deutschen Kritikerpreis. 1978 erhielt Moderator Hanns Werner Schwarze den Gustav-Heinemann-Bürgerpreis. Wik. | Waldbröl: Die Kreissparkasse Gummersbach ließ das 1900 im Stil der Burg Eltz erbaute ehemalige Kreishaus zu Waldbröl abreißen und ersetzte es durch einen Waschbeton-Plattenbau. Nur das repräsentative Portal blieb erhalten und wurde als Spolie in den Neubau eingebaut.[94]


[1]     H. Prantl: Prantls Blick, 31.5.2020

[2]     Der Spiegel 15.2.1971

[3]     Auskunft Rainer Zilkenat, per Mail vom 20.8.2017

[4]     S. Brünger: Geschichte und Gewinn (2017). Nach der Rezension v. T. Schanetzky in SZ 7.8.2017

[5] Honeckers Schmuddelkinder. Hippies in der DDR. Deutschlandfunk 25.1.2005 (nach SZ gl. Tags)

[6]     WDR 3, 20.11.2010

[7]     R. Walther: Fahrn, fahrn, fahrn… Zeitläufte 16.9.1999

[8]     Ausstellung Dr.-Oetker-Welt, 2009

[9]     G. Schwarberg: Zwanzig Kinder erhängen dauert lange. Zeitläufte 6.4.2005

[10]    L. Hachmeister: Schleyer

[11]    Hans Rodenberg: Sozialistische Arbeit – sozialistische Kultur. In: Kunst und Gesellschaft. Aufsätze und Selbstzeugnisse. Zum 25jährigen Bestehen des Henschelverlages, Berlin/DDR 1970, S. 11

[12]    D. Staritz: Geschichte der DDR, S. 224f

[13]    M. Verhoeven: OK oder nicht OK? Die Zeit 11.2.2010

[14]    Heinrich Schauerte in AN 2006, auch in unser-aachen.eu. Uwe Reuter 2007, in unser-achen.eu

[15]    Briefwechsel zwischen Willy Brandt und Günter Grass 1965-1970, hg. 2014, Auszüge in Deutschlandradio 6.9.2014

[16]    Th. Sommer: Die Summe eines großen Lebens. Die Zeit 26. 11. 2009 (ZA Dönhoff)

[17]    Wik.: Bahnhofsvorplatz Bonn; Kaiserhalle (Bonn); In der Vorhölle der Erbärmlichkeit, SZ 22.1.2014 (Geschi 1970)

[18]    Die Zeit 29.10.1971; Wik.

[19]    M. Kriener: Eine deutsche Raserei, Die Zeit 24.3.2022

[20]    Die Zeit 14.6.2006

[21]    Biographie 2004 auf http://hoimar-von-ditfurth.de (Datei)

[22]    ZA Gesch. 11.5.2000 (D.Zt.)

[23]    Thomas E. Schmidt: Die erschöpften Germanisten. Die Zeit 9.9.2004

[24]    Stefan Münz, http://carpacio.cs.tu-berlin.de/~jp/Muenz/hypertext/htxt507.htm

[25]    Wikipedia: Der Spiegel, August 2007

[26]    Th. Sommer: Die Summe eines großen Lebens. Die Zeit 26. 11. 2009 (ZA Dönhoff)

[27]    WDR 3, ZeitZeichen 27.7.2001

[28]    »Es wurde gevögelt, dass es rauchte«. Interview in Die Zeit, 22.6.2017 (Chancen)

[29]    G. Biemann, H. Stein: NPD, DVU und DVU – Liste D – neofaschistische und verfassungswidrige Organisationen. VVN-BdA 1989 (im Ordner Seminare)

[30]    Die Zeit 22. 1. 1971, nach ak 8. 2. 1996 (Stapel Fr)

[31]    G. Biemann, H. Stein: NPD, DVU und DVU – Liste D – neofaschistische und verfassungswidrige Organisationen. VVN-BdA 1989 (im Ordner Seminare)

[32]    Wikipedia.de: Mephisto-Urteil 2013

[33]    B. Spangenberg zur »Mephisto«-Ausgabe des Rowohlt-Verlags, 1980

[34]    Ausgabe 76/1972, nach M. Kriener: Aufstehen wie ein Mann. Die Zeit 31.3.2011

[35]    Der Spiegel 24.5.1971 | SZ 13.11.2001 | Adolf Stock: Heinar Kipphardt. Hamburg 1987, S. 97 ff. Nach Wikipedia | 100mk.de 2011

[36]    B. Greiner: Krieg und Lügen. Zeitläufte 22.7.2004

[37]    Wikipedia: Joseph Beuys

[38]    B. Schulz: Die Anwälte. Eine deutsche Geschichte. Biografischer Dokumentarfilm, Deutschland 2009

[39]    B 41 Neubau in Idar-Oberstein [Rechtfertigungsschrift des Bundesverkehrsministeriums, der Landes­regierung und des Oberbürger­meisters, 1986]

[40]    U. Wesel: Spitzel, Wanzen, Bomben. Die Chronique scandaleuse des Verfassungsschutzes seit 1950… Die Zeit 26.1.2012

[41]    Wik.: Betsäule von Halle; In der Vorhölle der Erbärmlichkeit, SZ 22.1.2014 (Geschi 1970)

[42]    Harenberg: Das Buch der 1000 Bücher

[43]    musicalzentrale.de

[44]    M. Kriener: Eine deutsche Raserei, Die Zeit 24.3.2022

[45]    B. Greiner: Krieg und Lügen. Zeitläufte 22.7.2004 (Greiner erwähnt jedoch nicht McGovern!)

[46]    Marcel Gyr: Olympia-Attentat ist eine Wunde, die nicht verheilt. NZZ 16.8.2022

[47]    G. Giesenfeld: Der amerikanische Krieg, Tl. 2 (1954-1975). In: Vietnam-Kurier 2/2005, S. 60f

[48]    Adolf Breves, Helmut Welge: Osterwald – Wald, Wild und Jagd. In: Osterwald 1585-2010, Salzhemmendorf 2010, S. 218, 221

[49]    Adam Soboczynski: Am Grabmal des Unbekannten Soldaten. Die Zeit 7.4.2022, S. 71  

[50]    W. Ribbe, J. Schmädeke: Kleine Berlin-Geschichte. Berlin 1987, S. 222

[51]    Antifaschismus heute (VVN-BdA Köln) 1/2018

[52]    L. Hachmeister: Schleyer

[53]    W. Glatzeder: Paul und ich. Autobiographie, Berlin 2008

[54]    W. Glatzeder: Paul und ich. Autobiographie, Berlin 2008

[55]    L. Hachmeister: Schleyer

[56]    F. Raddatz: Der Gigolo und die Sphinx. ZeitLiteratur 1.10.2003 (ZA Gesch.)

[57]    M. Kriener: Eine deutsche Raserei, Die Zeit 24.3.2022

[58]    zur Geschichte der Immobilienspekulation in Frankfurt P. Waldbauer: Lexikon antisemitischer Klischees, S.  169ff; J. Roth: z. B. Frankfurt: Die Zerstörung einer Stadt. München 1975 (dG)

[59]    Anja Reschke: Die Unbequemen. Wie »Panorama« die Republik verändert hat. München 2011. Nach Tilmann P. Gangloff: Beißen nach allen Seiten. Neue Westfälische 4. Juni 2011

[60]    L. Hachmeister: Schleyer

[61]    Ausstellung »Wangemanns Wanderungen« in Bielefeld-Eckardtsheim (2017). Nw.de 15.11.2017

[62]    Harenberg: Das Buch der 1000 Bücher

[63]    M. Kriener: Eine deutsche Raserei, Die Zeit 24.3.2022

[64]    Karl Christian Führer: Gewerkschaftsmacht und ihre Grenzen – Die ÖTV und ihr Vorsitzender Heinz Kluncker. Bielefeld 2017 (transcript). Interview, ZA Kluncker 1.6.2017 (Ver.di Publik)

[65]    Heilemann u.a.: Wirtschaftspolitische Chronik 1949-2002, S. 155

[66]    Heilemann u.a.: Wirtschaftspolitische Chronik 1949-2002, S. 155

[67]    Heilemann u.a.: Wirtschaftspolitische Chronik 1949-2002, S. 158

[68]    Ausstellung Dr.-Oetker-Welt, 2009

[69]    Zit. nach Jens Jessen: Auf den Klassenstandpunkt kam es an. Die Zeit 9.9.2004

[70]    Hanno Hochmuth in einer Diskussion über Helmut Kohls Kanzlerschaft, Ordner Geschi 1982 (Aufbruch in die Bunte Republik, Die Zeit 27.9.2012)

[71]    E. Jaeggi: Auch Fummeln muß man lernen. ’ran-Buch 5, Köln 1978 (mit einer Dokumentation und Analyse des Proteststurms)

[72]    Th. Sommer: Die Summe eines großen Lebens. Die Zeit 26. 11. 2009 (ZA Dönhoff)

[73]    L. Hachmeister: Schleyer

[74]    Heilemann u.a.: Wirtschaftspolitische Chronik 1949-2002, S. 160

[75]    J. Radkau: Die Ära der Ökologie. Nach M. Kriener: Aufstehen wie ein Mann. Die Zeit 31.3.2011

[76]    G. Giesenfeld: Der amerikanische Krieg, Tl. 2 (1954-1975). In: Vietnam-Kurier 2/2005, S. 64f

[77]    Der Spiegel 5.5.1975, S, 56, zit. nach G. Bosbach, K. Bingler: Droht eine Kostenlawine im Gesundheitswesen? Soziale Sicherheit 1/2008, S. 7

[78]    A. Schwarzer: Der ‹kleine Unterschied› und seine großen Folgen. Frankfurt/M. 1975

[79]    W. Bauer, I. Dümotz, S. Golowin: Lexikon der Symbole. Wiesbaden 2004, S. 393f

[80]    B 41 Neubau in Idar-Oberstein [Rechtfertigungsschrift des Bundesverkehrsministeriums, der Landes­regierung und des Oberbürger­meisters, 1986]

[81]    Klenkes Magazin, Juli 2016

[82]    Gunnar Decker: Mit ernster Fantasie. Franz Fühmann … der Freitag 27.1.2022

[83]    Müller-Gerbes, Sigrun: Höhenflug einer flotten Biene. NW 14.4.2006 (ZA Gesch)

[84]    R. Schneider: Wir durften nicht schweigen. Die Welt 13.11.2006 (Ordner Geschi)

[85]    Havemann, Robert. In: Wer war wer in der DDR? (2009)

[86]    Harriet Oelers: Elektroakustische Musik in der DDR. Wien/Köln 2021 (Böhlau). Rez. Fr 2.12.2021

[87]    U. Wesel: Spitzel, Wanzen, Bomben. Die Chronique scandaleuse des Verfassungsschutzes seit 1950… Die Zeit 26.1.2012

[88]    Philips LP 6305 342

[89]    L. Wecke, B. Schennink: Die »neue« Friedensbewegung in den Niederlanden. In: Die neue Friedens­bewegung. Analysen aus der Friedensforschung. Frankfurt/Main 1982, S. 284, 287

[90]    L. Hachmeister: Schleyer

[91]    E. Schöfer: Winterdämmerung. Berlin 2008, S. 14-19

[92]    postfrisch 6/2014 (Geschi)

[93]    FR 15.5.2001 (Stapel)

[94]    Marktstadt Waldbröl (waldbroel.de): Geschichtsstationen: Waldbröl als Kreisstadt. Um 2020 (auf archive.org erstmals 20.4.2021)

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