Warum Amokläufe? Tut mir leid, aber ich weiß eine Antwort

Der Amoklauf in einer Schule in Newtown, Connecticut/Usa, mit 27 Todesopfern gab im Dezember 2012 vielen Menschen, vor allem Journalisten, Gelegenheit, die Frage nach dem Warum zu stellen und dann bewusst unbeantwortet zu lassen. Dabei liefert z. B. die Neue Westfälische (Bielefeld) vom 18. Dezember 2012 gleich unter dem Bericht über die Trauerfeier in Newtown eine Antwort auf die Warum-Frage frei Haus.

Man muss einfach nur eins und eins zusammenzählen. Dort steht: »Schul-Amokläufe sind oft inspiriert von vorherigen Tätern. Mörder wie die vom Massaker in Littleton (USA) im Jahr 1999 haben die Amok-Idee in die Welt gesetzt, moderne Medien verbreiten sie. Das ist eine Aussage aus dem Buch „School Shootings“ (Schul-Amokläufe), das Wissenschaftler der Universität Bielefeld herausgegeben haben. Für die Forscher um Peter Sitzer bringt vor allem das Internet mögliche Nachahmer hervor: „Man findet sehr viel Material online – Polizeiberichte, psychiatrische Gutachten, Videos, Tagebücher und Selbst­darstellungen der Täter.“ Potenzielle Nachahmer finden Hinweise, wie man einen Amoklauf vorbereitet und durchführt.«

Der entscheidende Punkt ist natürlich nicht das Internet, sondern folgender: Millionen von Menschen beschäftigen sich nach einem solchen Amoklauf mit der Psychologie und Persönlichkeit der Täter. Die Täter erzielen mit ihrer Tat eine ungeheure, weltweite Aufmerksamkeit. Die Täter werden durch ihre Tat berühmt. Ihre Namen gehen, weil die Medien jede Gelegenheit benutzen, sie zu nennen, in die Geschichte ein. Die Medien machen die Täter auf diese Weise unsterblich. Sie spekulieren vor ihrer Tat und ihrem Tod darauf, selber zum Vorbild von Bewunderern und Nachahmern zu werden. Dieses Motiv ist schon seit dem griechischen Altertum bekannt: Wir kennen es in der Person des Brandstifters, der 356 v. Chr. den Artemistempel von Ephesos anzündete – und dessen Namen ich hier bewusst verschweige, genau wie die Namen aller hier erwähnten Mörder.

Die Medien belohnen Gewalttäter mit erhöhter Aufmerksamkeit. In Zeiten der Aufmerksamkeits-Ökonomie stehen auf einen Amoklauf mindestens 10 Mio. € Belohnung für den Mörder – ausgezahlt in Form von Ruhm. Der Mörder von Oslo und Utöya darf diesen Ruhm sogar noch zu Lebzeiten genießen. Die Medien bestrafen die Friedfertigen, die Retter der Menschheit, indem sie sie unerwähnt lassen und uns ihre Namen verschweigen. Sie bestrafen die Opfer ein zweites Mal, indem sie ihre Namen nicht nennen. Es gibt ein einfaches Gegenmittel: Die Namen der Täter dürfen in den Medien nicht genannt, ihre Fotos dürfen nicht gezeigt werden. Das würde das wohl wichtigste Motiv von Amokläufern und Terroristen zerstören.

Gebt uns stattdessen Namen und Fotos der Lehrerinnen, die sich heldenhaft dem Täter in den Weg gestellt haben, um die ihnen anvertrauten Kinder zu schützen! Diese Lektion immerhin scheinen einige Medien inzwischen gelernt zu haben. Wikipedia nennt, gestützt auf NBC, die Namen:  Dawn Lafferty Hochsprung (Direktorin), Victoria Soto (27), Mary Sherlach (Psychologin), Rachel Davino (29), Lauren Rousseau (30), Anne Marie Murphy (52). Spiegel Online porträtiert die Jüngste von ihnen, Victoria Soto.

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